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Fleisch mann, Verwaltung der Kolonien 1912.
E. Verkehrsmittel.
I. Eisenbahn 1 ). Der Bahnbau ist rüstig fortgeschritten, aber doch nicht durchweg so, wie es für die Erschließung unserer Kolonien zu wünschen gewesen wäre. Es ist die Mittellandbahn in Kamerun, deren langsames Fortschreiten dieses Bedauern wachruft; denn erst 81 km, von Duala aus, sind in vorläufigen Betrieb genommen. Um so befriedigender wirkt demgegenüber das schleunige Ausschreiten der Zentralbahn in Ostafrika: sie ist am 1. Juli für den allgemeinen Betrieb bis Tabora eröffnet worden, und am Schlüsse des Jahres war das Gleis darüber hinaus schon mehr als halbwegs nach dem Tanganjikasee hin erstreckt. Wir dürfen damit rechnen, daß im Laufe des Jahres 1914 der Ausbau des vorläufig in Angriff genommenen Bahnnetzes in den afrikanischen Kolonien mit 4563 km vollständig abgeschlossen sein wird, d. i. ungefähr soviel, wie heute in der Heimat die Eisenbahnbezirke Halle und Posen zusammen aufweisen. Der gegenwärtige Gesamtstand ergibt sich aus der Zusammenstellung, die der vorige Jahresbericht (S. 67) brachte. Für Kiautschou dürfte in beträchtlicher Ausdehnung ein Anschluß in das chinesische Gebiet bevorstehen.
Mancherlei Änderungen haben die Bahntarife erfahren. So ist auf den ostafrikanischen Bahnen ein neuer Tarif in Kraft getreten, der zu einem guten Teile Erleichterungen — allerdings auch gewisse Erhöhungen — bringt. Bedeutsam daraus ist die Einrichtung von Staffeltarifen im Tier- und Frachtgutverkehr mit Verbilligung der Frachtsätze bei zunehmender Entfernung. Für wichtige Landeserzeugnisse, namentlich Baumwolle, ist durch einen Ausnahmetarif eine bestimmte Höchstfracht vorgesehen. Ermäßigt sind die Tarife für Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel usw. (Kolonialblatt S. 292). Eine Frachtvergünstigung genießt Ausstellungsgut (Kolonialblatt S. 571) — auch ein Zeichen des Aufschwungs unserer kolonialen Kultur.
Den Gipfel normativer Eisenbahnentwicklung erklimmt die vom Reichskanzler unter dem 15. Juli erlassene Kolonialeisenbahnbau- und Betriebsordnung (Kolonialblatt S. 679). Sie lehnt sich an die heimische Eisenbahnbau- und Betriebsordnung von 1904 an. Freilich mußten dabei einige Paragraphen ohne Inhalt bleiben, z. B. der über — Schneepflüge. Als größte Fahrgeschwindigkeit sind 40 km für die Stunde, mit Genehmigung des Gouverneurs 50 km für die Stunde vorgesehen. Unter dem 26. Februar 1913 hat der Reichskanzler auch eine Eisenbahn Verkehrs Ordnung für die Kolonien im Anschluß an die heimische erlassen (Kolonialblatt 1913, S. 179).
II. Wege. Eine Wegeordnung für Südwestafrika vom 14. Juni (Kolonialblatt S. 710) betrifft die Bezirksstraßen und Verbindungswege abseits liegender Ansiedlungen mit den Bezirksstraßen oder Eisenbahnen, dagegen nicht die Gemeindewege. Die öffentlichen Wege werden durch den Bezirksamtmann bestimmt. Ihre Unterhaltung liegt dem Bezirksver- bande ob, wobei besondere Interessenten an dem Wege zu besonderen Leistungen herangezogen werden können. In Zwischenräumen von 10—20 km sind größere Weideplätze auszuscheiden (wenigstens 200 ha), mit Brunnen und Tränkeinrichtungen versehen. Die Benutzung dieser Weideplätze ist den Anliegern für die Regel verwehrt. Samoa hat unter dem 17. Februar (Kolonialblatt S. 477) eine neue Wegeordnung ganz im Sinne des heimischen Rechtes erhalten, zunächst allerdings aber nur mit Geltung für Upolu. In
') Schlüpmann im Kolonialblatt 1913 S. 138; Baltzer, die Erschließung Afrikas durch Eisenbahnen, mit einem Nachwort von Solf, 1913.