Aufsatz 
Die Verwaltung der Kolonien im Jahre 1912 / von Max Fleischmann
Entstehung
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Fleischmann, Verwaltung der Kolonien 1912.

VI. Eingeborene.

Die Eingeborenen verlieren mehr und mehr die Eignung, isoliert be­handelt zu werden. Selbst wo für sie Reservate geschaffen sind, ist dies doch nur eine bedingte und zeitweilige Schutzwehr gegen das rechtliche Zusammentreffen mit den Weißen. Maßnahmen, die auf die Eingeborenen Bezug haben, mußten uns deshalb durch den ganzen Jahresbericht beschäf­tigen: Mischlinge, Polizeitruppe, gewerbliches Hilfspersonal, Wandergewerbe, Pressewesen u. a. m. Es kann sich deshalb hier nur noch um einige Zu­sätze handeln.

In Togo ist für Bürgschafts- und Schuldübernahmeerklärungen im Betrage von mehr als IOO Mk. Beurkundung oder Beglaubigung durch eine örtliche Verwaltungsbehörde erforderlich (Verordnung vom 2. Oktober, Kolonialblatt S. 1132). In Kamerun ist durch Verordnung vom 15. No­vember (Kolonialblatt 1913, S. 90) das Verbot gewisser Kreditgeschäfte in Gummihandel sog. Trustgeschäfte ausgesprochen. Danach ist es verboten und nichtig, an Eingeborene Waren oder Geld auf Vorschuß mit der Abrede zu geben, daß die Gegenleistung in der Lieferung von Gummi bestehen soll. Ist den Eingeborenen auf Grund solcher Geschäfte etwas geleistet worden, so kann es nicht zurückgefordert werden. In Samoa beschränkt die Verordnung vom 20. August 1 ) die Eingeborenen in der Ver­fügung über ihre Ländereien, in der Absicht, ihnen den Grund und Boden zur Bearbeitung (!) durch sie und ihre Nachkommen zu erhalten. Zu diesem Zwecke ist für den Übergang des Eigentums vom Eingeborenen auf den Nichteingeborenen grundsätzlich ein gerichtlicher Vertrag und schrift­liche Genehmigung des Gouverneurs erforderlich.

Aus der Verringerung der Aufwendungen für die Erkundung fremder Kolonialrechte in dem Etat für 1913 darf man vielleicht den Abschluß der für die Kodifikation des Eingeborenenrechts erforderlichen Vorarbeiten ent­nehmen.

Ein Verwaltungszweig, auf dem behördliche Verordnungen allein nichts vermögen, der einem bloßen Dekretieren geradezu widerstrebt wie das Schul­wesen, gerät leicht in Gefahr, bei einer Betrachtung der Verwaltung nach dem Maße des Aufwandes an Verordnungsmühe gemessen und dabei in der Schätzung hintangesetzt zu werden. Dem ist auch das Eingeborenen-Schul­wesen, wie man in der Beurteilung überwiegend wahrnehmen kann, ver­fallen. Eine arge Unrichtigkeit! Das kann man jetzt aus der mühevollen Darstellung 2 ) ersehen, die aus den Denkschriften einmal die zerstreuten Angaben über die geistige Arbeit an den Eingeborenen heraushebt. Der Einblick in die Verhältnisse ist allerdings nicht leicht zu gewinnen, da sie sich nach Ort und Zeit verschieden entwickelt haben und da die Kolonial­regierung selbst nur ergänzend neben den Missionen (in Südwest überhaupt nicht) tätig eingreift, die eine außerordentlich umfassende dankenswerte Tätigkeit auf diesem Gebiete fortgesetzt entfalten. Staatliche Beiträge er­scheinen in den Etats als Fonds zur Verbreitung der deutschen Sprache. Die deutsche Sprache ist überall Lehrgegenstand, wenn auch nur in West-

*) Samoanisches Gouvernementsblatt Band IV. Nr. 34, Seite 155.

-) v. König, Die Eingeborenen-Schulen in den deutschen Kolonien Afrikas und der Südsee (Koloniale Rundschau Mai 1912 bis Januar 19x3). Grundlegend bleibt Mirbt, Mission und Kolonialpolitik in den deutschen Schutzgebieten 1910, 5. Kapitel.