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Fleisch mann, Verwaltung der Kolonien 1912.
gegebenen Voraussetzungen der Besiedlung mit Weißen kann nur eine Frage kurzer Zeit — die Heranziehung von Kolonisten zum Reichsparlamente 1 ) allerdings nach reiflicher Abwägung — sein.
III. Geistiges Leben.
Wie es seinen Ausdruck gewinnt in dem sich stetig entwickelnden Schulsysteme, kann im einzelnen an dieser Stelle nicht verfolgt werden. Genug, der deutsche Schulmeister auf vorgeschobenem Kulturposten zeigt sich der heimatdeutschen Vergangenheit wert. Daß Südwest und Kiautschou hier voranstehen, liegt in der Natur der Sache, Kiautschou zudem mit dem eigenartigen Unterrichtsausbau der Hochschule für die Chinesen 2 3 ). Daß noch manches in der Förderung des Schulwesens zu wünschen bleibt, brauchen wir nicht zu verhehlen. Aber wir schreiten, wie soeben die Regelung der Schulpensionate für Südwest erkennen läßt, vorwärts.
Zu einem bedeutsamen Faktor, ja zu einem unentbehrlichen Bindemittel -für die durch das Land zerstreuten Kolonisten untereinander und mit der großen Welt da draußen, hat sich das Presswesen in den Kolonien unter Schwankungen und Schwierigkeiten mannigfaltiger Art herau'sgewachsen. Damit hat es sich aber auch einen Anspruch darauf erworben, mit fester Rechtsgrundlage bedacht zu werden. Diese schafft ihm die Preßverordnung des Reichskanzlers vom 15. Januar (Kolonialblatt S. 69) 8 ). Manch einem wird es wunderlich erscheinen, daß es noch nötig war, die Preßfreiheit in die Kolonien erst einzuführen. Auch bisher war ja die freie Meinungsäußerung in den Kolonien nicht eingeschränkt. Sie wußte sich wenigstens im Kampfe gegen Regierungsmänner oder Regierungsmaßnahmen, die in weiten Kreisen der kolonialen Bevölkerung als fehlgreifend angesehen wurden, schon durchzusetzen. Wir tragen eben, auch ohne daß es uns der Gesetzgeber zu spenden braucht, Stücke der heimischen Rechtskultur in reicherem Maße hinüber, mehr als man sich davon Rechenschaft zu geben pflegt. Und hierhin gehört an vorderer Stelle die freie Meinungsäußerung. Nur war sie nicht durch besonderen Rechtsschutz gewährleistet wie in der Heimat. Dies aber ist selbst für unruhige Zeiten erwünscht, um das Spiegelbild der öffentlichen Meinung auch bei starkem Gegensätze zu den gerade leitenden Stellen so unverfälscht zu erhalten wie es dem allgemeinen Besten dient. Das allgemeine Beste ist natürlich der Regulator auch der gesetzlich gewährleisteten Preßfreiheit. Deshalb finden wir in der neuen Preßverordnung zwar wörtlich die meisten und namentlich die grundlegenden Bestimmungen des heimischen Rechtes übernommen, aber auch Abweichungen, die durch die unsicheren kolonialen Verhältnisse bedingt sind. Dahin zählt das Verbot der öffentlichen Verbreitung von Druckschriften, die geeignet sind, Eingeborene zu Gewalttätigkeiten gegen Weiße aufzureizen und die Befugnis des Gouverneurs, falls hierwegen in Jahresfrist zweimal eine Verurteilung erfolgt ist, die Druckschrift bis auf zwei Jahre für die Kolonie zu verbieten. Nur allzu begründet erscheint die Zulassung eines Verbots von Veröffentlichungen über Vorgänge bei Eingeborenen oder über Truppenbewegungen und Verteidigungsmittel im Falle innerer Unruhen, namentlich bei Eingeborenen-
*) Vgl. Zache in den Kolonialen Monatsblättern 1913 S. 50.
-) Einen Beleg für das Streben zeigt die „Deutsch-chinesische Rechtszeitung“, herausgegeben von Romberg.
3 ) Vgl. Fleischmann im „Tag" 1912 Nr. 104 vom 4. Mai.
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