Aufsatz 
Die Verwaltung der Kolonien im Jahre 1912 / von Max Fleischmann
Entstehung
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Fleischmann, Verwaltung der Kolonien 1912.

außer Geltung gesetzt hat ein bedeutsamer Schritt in der Richtung auf die Rechtseinheit. Eine Zollerhöhung verzeichne ich für Kamerun auf Spirituosen, Schaumwein und Bier (14. Mai, Kolonialblatt S. 648); für Neu- Guinea in der Steigerung des Ausfuhrzolls für Paradiesvögelbälge und -Federn von 5 Mk. auf 20 Mk. (Verordnung vom 22. November, Kolonialblatt S. 218). Auf der anderen Seite hören wir von einer Beseitigung des Zolls auf alle zum Bau, zum Betrieb und zur Unterhaltung von Funkentelegraphen- und Kabelstationen bestimmten Maschinen und sonstigen Gegenstände (Kamerun, 12. November, Ostafrika, 21. November).

Vierter Abschnitt.

Kolonie und Ausland.

Die wichtigen Grenzfragen, die das Jahr 1912 ihrer Abwicklung ein tüchtiges Stück näher brachte, sind bereits an erster Stelle dieses Be­richtes erwähnt. Was an internationalen Beziehungen außerdem unsere Kolonien berührt hat die politische Umwälzung in China hat unser Schutz­gebiet unberührt gelassen, betrifft dieses Mal nur Punkte, die an Wichtig­keit demgegenüber zurücktreten oder doch noch nicht genügend geklärt sind.

Hierhin zähle ich die Nachrichten über Verhandlungen zwischen Deutsch- ! land und England, die auf den Kolonialbesitz Portugals abzielen sollen. Sie haben den portugiesischen Minister des Äußeren zu der überraschenden Erklärung bewogen, daß zwischen England und Deutschland keinerlei Ver­trag über portugiesischen Kolonialbesitz bestünde. Anzweifeln darf man dabei allerdings, daß der portugiesische Minister über Abmachungen zwischen Deutschland und England, die ja im Jahre 1900 nach dem Erwerbe der Karolineninseln getroffen sein sollen amtlich sind sie von deutscher Seite damals freilich bestritten worden vollständig unterrichtet ist.

Ein anderer Vorfall rief unsere kolonialen Kreise lauter auf den Posten. Es ging die Rede, daß zwischen England und Belgien ein Abkommen zur neuen 1 Festlegung einer Grenze zwischen Britisch-Ostafrika und der Kongokolonie getroffen oder geplant sei. Ein schmaler Streifen von 5060 m Breite sollte auf 100 km Länge an England abgetreten werden, um ihm die Durchführung der Cap-Cairobahn durch ausschließlich englisches Gebiet zu ermöglichen. Es ist nicht anzunehmen, daß Deutschland diesem Vorgehen weniger entschieden entgegengetreten ist als es bei dessen Vor­läufer, dem Plane einer Pachtung im Jahre 1894, geschehen war. Nicht abschnüren darf sich Deutschland oder ein anderer Staat jetzt noch lassen von den großen Verkehrsadern, die in absehbarer Zeit den dunklen Erdteil durchqueren werden und die für die gesamten kolonisierenden Staaten den gebührenden Anteil an den Verkehrsmitteln zur wirtschaftlichen Erschließung Afrikas sichern.

In die Reihe dieser Staaten ist durch den Frieden zu Lausanne vom 18. Oktober jetzt auch Italien eingetreten, das den letzten Augenblick nutzte, um im Angesichte des heimischen Festlandes ein brachliegendes, mehr und mehr von den Nachbarn eingedämmtes Stück wertvollen afri­kanischen Bodens sich anzugliedern. Mit dem Erwachen des kolonisatorischen Triebes im Römertume der Gegenwart mündet koloniale Geschichte wieder in den breiten Strom der Weltgeschichte.

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