Aufsatz 
Die Verwaltung der Kolonien im Jahre 1912 / von Max Fleischmann
Entstehung
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154 Fleischmann, Verwaltung der Kolonien 1912.

Erster Abschnitt.

Unser Kolonialbestand.

Der Jahrgang 1911/12 ist tüchtig ausgeschritten, um das, was bei der Verteilung der Welt versäumt war, im letzten Zuge noch einigermaßen ein­zuholen. Der Zuwachs, den uns der Vertrag mit Frankreich vom 4. November 1911, des Marokkoschauspiels wohl letzter Akt, für Kamerun gebracht hatte, muß unter Dach und Fach gezogen werden 1 ). Dazu bedurfte es noch aus­führlicher und von mancher Schwierigkeit bedrohter diplomatischer Ver­handlung, auf dem neutralen Boden der Schweiz gepflogen, die wir endlich, unter dem 28. September 1912 als Erklärung der deutschen und französi­schen Regierung zur Ausführung des Abkommens vom 4. November 1911 vor uns sehen (Kolonialblatt S. 890924). Eigentlich ist es ein Bündel von neuen Verträgen, schon äußerlich wenigstens drei: über die Grenz­vermessung wegen der Übergabe der auszutauschenden Gebiete über das Konzessionswesen.

Seit dem 12. März 1912, d. i. dem Tage, an dem die Ratifikationen des Vertrages vom 4. November 1911 ausgetauscht worden sind, ist jede der beiden Vertragsmächte Souverän über die ihr abgetretenen Gebiete; jedoch verbleibt die vorläufige Ausübung der Iioheitsrechte der besitzenden Macht bis zur Übergabe der einzelnen Gebiete (II. Vereinbarung, Art. 12). Über die Flußläufe des Kongo und des Ubangi bleibt die Einigung ausgesetzt.

Für die Grenzvermessung sind sorgsame Anhaltspunkte den Grenz­expeditionen durch das neue Abkommen gegeben, die auch technisch alle Hilfsmittel der neueren Zeit, wie die drahtlose Telegraphie, verwenden. Die Kosten werden deshalb nicht gering sein können; bisher sind zwei Raten in den Etat eingestellt : 789 300 und 504 200 Mk. Von sachlich bedeut­sameren Bestimmungen über die Grenzführung mögen folgende hier einen Platz finden. Die Grenze soll am Ostufer der Mondabai von einem Punkte ausgehen, der 8 km südlich des Breitengrades des Cap Akanda liegt (Art. 9). Die Führung der Grenze an der Südostecke von Spanisch-Guinea darf keine Unterbrechung des deutschen Gebietes herbeiführen. Deutschland wird daher an der Südostecke von Spanisch-Guinea, ohne daß es eine Kompen­sation leistet, ein Gebietsstreifen sichergestellt, der unter Berücksichtigung der Bodengestaltung für den Bau einer Straße und einer Eisenbahn hin­reicht. Der Spielraum von 612 km, der den Grenzkommissaren gelassen ist, um Frankreich einen Zugang zum Ssanga südlich von Ouesso, Deutsch­land einen Zugang zum Kongo an der Mündung des Likuala-Mossaka, sowie zum Ubangi an der Mündung des Lobaje zu gewähren, soll in dem Sinne angewandt werden, daß die interessierte Macht das Fahrwasser der Ströme unter den günstigsten Bedingungen ausnützen kann. Wenn jedoch die schroffe Durchführung dieses Grundsatzes auf eine schwere Behinderung der Schiffahrt der anderen Macht hinauslaufen würde, so sollen die Kom­missare bemüht sein, eine derartige Wirkung tunlichst zu vermeiden und die ihnen zweckmäßig erscheinenden Abhilfen angeben; in keinem Falle darf jedoch die längere Uferstrecke kleiner als 6 und größer als 12 km sein. Die hiermit gegebene Richtschnur ist in dem weiten Raume, den sie dem billigen Ermessen der Grenzkommission läßt, durchaus verständig. Es

*) Vgl. Karl Ritter, Neu-Kamerun (Veröffentlich, d. Reichskolonialamts IV) 1912.

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