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Im Lande des Paradiesvogels : ernste und heitere Erzählungen aus Deutsch Neu-Guinea / Carl Leidecker
Entstehung
Seite
139
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Der Friedhof,

In Stephansort an der fernen Astrolabebai liegt die Stätte des Friedens, von der ich reden will.

Es gab eine Zeit, wo sie nichts war, als ein Teil der namenlosen Unendlichkeit, die dem feuchtschwangeren Boden Papuas entquillt und, ein düstertrotziges Massiv, blauschwarz in den dünstenden Äther ragt. Gleich einem schlafenden Untier der sagenfernen Urzeit wuchtet der starre Gigantenleib auf hitzebrodelnder Decke, umspült vom lauen Wasser des Stillen Ozeans.

Dort, in weltverlorener Öde, schlief er den Äonenschlaf, umfächelt vom müden Hauch der südlichen Äolsboten, bis der Geist des Abendlandes über die Meere fegte und frisches Leben in den stagnierenden Sumpf der Steinzeit blies.

Stählerne Ungeheuer schnoben durch die sonnendurch- glühten Fluten, wühlten sich durch den tiefblauen Wasser­wall. Behende blonde Männer entstiegen ihrem Bauche und zerhackten mit hartem, kaltem Eisen den modernden Leib des schlummernden Titanen. Lange, breite Wunden schlugen sie dem ohnmächtigen Riesen, bohrten runde Löcher in sein Fleisch und legten schnellsprießenden Samen hinein. Den Stellen aber, wo solches geschah, gaben sie fremdklingende Namen, die den Großen ihrer nordischen Pleimat entlehnt waren.

So entstand Stephansort.

Lange Zeit duldete der harmlose Riese stumm die Qualen, wenn das Seziermesser abendländischer Kultur an seinem Bauche fraß. Dann aber begann er sich langsam zu wehren.