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Die Zukunft der deutschen Kolonien / hrsg. von Adolf Grabowsky und Paul Leutwein
Entstehung
Seite
42
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Das koloniale Verkehrswesen / Franz Valtzer

Wenn wir an die Wiederaufnahme der Kulturaufgaben in unserem künftigen afrikanischen Kolonialreich nach dem Kriege denken, Wird es gut fein, uns den Stand der Dinge in unferen afrikanischen Schutzgebieten vor seinem Ausbruche in Erinnerung zu rufen. Hier müssen wir die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft Magen, um die jäh durch den Krieg gerissene Lücke zu schließen. Unter den Mitteln zur Erfüllung der Kulturaufgaben in Afrika nimmt das koloniale Verkehrswesen mit Recht eine der wichtigsten Stellen ein; denn die Erfahrungen aller kolonisierenden Kulturländer haben gelehrt, daß die Schaffung und Entwicklung des Ver­kehrs eines der stärksten Mittel ist, tropische Neuländer zu erschließen und wirtschaftliches Leben in ihnen zu erwecken. An oberster Stelle im Verkehrswesen unserer afrikanischen Schutzgebiete steht unstreitig die koloniale Eisenbahn, und es erscheint daher gerechtfertigt, den Umfang und die wirtschaftliche Stellung des Eisenbahnwesens in unseren afrikanischen Kolonien vor Ausbruch des Weltkrieges etwas eingehender zu erörtern.

Ohne hier auf die Einzelheiten in der Entwicklung unseres kolonialen Bahnnetzes ein­zugehen, sei daran erinnert, daß es nach Beginn unserer kolonialen Zeitrechnung (April 1884) reichlich zehn Jahre dauerte, bis die ersten 14 Kilometer der ersten Bahn in Ostafrika von Tonga bis Pongwe in der 1 Meter-Spur am 16. Oktober 1894 dem Betriebe übergeben werden konnten. Weitere elf Jahre vergingen, ehe die Usambarabahn in ganzer Ausdehnung bis Mombo, 129 Kilometer, vollendet war. Der zweite Bahnbau wurde 1897 in Südwestafrika unternommen, als dort durch Ausbruch der Rinderpest der ganze auf den Ochfenwagen ange­wiesene Frachtverkehr lahmgelegt zu werden drohte. Die Bahn SwakopmundWindhuk wurde mit 382 Kilometer in 60 Zentimeter Spurweite nach fünf Jahren, Juni 1902, fertiggestellt. Togo erhielt nach Erbauung der Landungsbrücke in Lome seine erste Eisenbahn gleichfalls in der 1 Meter-Spur mit Eröffnung der Küstenbahn LomeAnecho, 44 Kilometer, am 18. Juli 1905. Kamerun trat erst im Jahre 1909 durch Vollendung der ersten Teilstrecke der Manengubabahn, 89 Kilometer, am 1. August in das Eisenbahnzeitalter.

Vor Ausbruch des Krieges bestanden in unseren afrikanischen Schutzgebieten folgende Eisenbahnen:

I. Ostafrika: Die Usambarabahn von Tanga über Muhesa und Korogwe in die reichen Pflanzungsgebiete von Usambara, weiter über Mombo und Buiko nach Neu- moschi, wo sie mit 352 Kilometer Gesamtlänge, 810 Meter über dem Meere in der Nähe des Kilimandscharo endigt. Der Weiterbau nach Aruscha, 86 Kilometer, wurde durch den Krieg unterbrochen. Ferner die Tanganjikabahn von Daressalam über Morogoro und Kilossa nach Tabora und Kigoma, 1252 Kilometer lang in 1 Meter-Spur, etwa gleich der Entfernung BerlinMailand. Die Gleisspitze gelcmate am 1. Februar 1914 an den Tcmganjikasee, dessen Küsten mit 1500 Kilometer Gesamtlänge die wertvolle Endstation der Bahn bilden. Seit dem 1. Juli 1914 ist diese große Merlandbabn, deren überraschend schnelle Bauausführung berechtigtes Aufsehen erreate, in vollem Betriebe; sie übertrifft an Länge nicht nur die britische Ugandabahn (940 Kilometer), sondern auch die Stammstrecke LagosKano (1146 Kilometer) der Nigerischen Bahn. Die Bahn ist nur nock, der Form nach eine Privotbcchn, nachdem der Schutzaebietsfiskus über ^ der Anteile der Ostafrikanischen Eisenbahn-GeseMaft erworben bat. Einen wertvollen Verkebrszubrinqer sollte sie in der 1914 bewilligten Ruandabahn erhalten, deren Bau von Tabora bis zum Kageraknie, 481 Kilo­meter, noch vor dem Kriege in Angriff genommen wurde.

II. Togo: Hier bestehen die 44 Kilometer lange Küstenbahn LomeAnecho und die 119 Kilometer lange Jnlcmdbahn LomePalime, welche zusammenhängend betrieben werden.