Deutsch-Ostafrika im Rahmen des indischen Ozeans / Alfred Zintgraff
Ende August dieses Jahres schrieb die in New York erscheinende Zeitung „Sun" über Deutsch-Ost-Afrika folgendes: „Zurzeit gibt es keine andere Besitzung in Afrika, die so wichtig für Großbritannien ist wie Deutsch-Ost-Afrika. In der Hand des Kaisers hat es die Vollendung der Kap-Kairobahn gehemmt, dieses größten aller imperialistisch-englischen Entwürfe für den Zusammenschluß der britischen Interessen in Afrika. In diesem Umstände mag der Grund für die große Begeisterung gefunden werden, mit welcher die früheren Burensührer diesen gewagten Feldzug unternommen und ihn bis zu seinem jetzigen Erfolg geführt haben. Südafrika wird als Belohnung verlangen, daß die Lücke zwischen Rhodesien und Uganda geschlossen Wird und daß der deutsche Adler nicht länger über Ostafrika seine Schwingen ausbrewt."
Ob die amerikanische Zeitung „Sun" hiermit die wirklichen Beweggründe für die Teilnahme der Bothaischen Regierung an Englands Versuch, Teutsch-Ost-Afrika in seinen Besitz zu bringen, getroffen hat, vor allen Dingen ob für den Fall des Gelingens die südafrikanische Union keine anderen Wünsche als die angegeben haben würde, mag dahingestellt bleiben, sicherlich aber hat die „Sun" recht, indem sie sagt, daß England an keiner afrikanischen Besitzung ein größeres Interesse hat als an Deutsch-Ost-Afrika, wenn auch der Hauptgrund, den sie angibt, die behauptete Verhinderung des Baues der Kap-Kairobahn den Grad dieses Interesses nur unvollkommen wiedergibt.
Der Bau eines Verkehrsweges, der Kapstadt und Kairo verbindet und dessen Fertigstellung nur das angegriffene Deutsch-Ost-Asrika im Wege gestanden haben soll, ist jedenfalls nicht der alleinige Grund, der England solche riesigen Anstrengungen machen läßt, uns unseren Teil des ostafrikanischen Kontinents noch auf jeden Fall zu eutreißen. Eine solche Verbindung, wäre ohne diese großen Opfer viel leichter über das Gebiet des belgischen Kongo herzustellen gewesen, besonders da, wie uns der Kriegsansbruch im Jahre 1914 enthüllt hat, Belgien sich bereits völlig in die Gefolgschaft Englands begeben hatte. Zudem würde ein solcher Schienenstrang eine wirkliche wirtschaftliche Bedeutung kaum haben.
Wenn der imperialistische Engländer mit großem Enthusiasmus von dieser „Kap-Kairobahn" sprach, so meinte er auch eigentlich nickt diesen Schienenweg selbst, sondern die „Kap- Kairobahn" war ihm nur ein Ausdruck für seine Sehnsucht, den ganzen ostafrikanischen Kontinent von Kap bis Kairo unter englische Herrschaft zu bringen, und zwar mit der dazugehörigen Küste des Indischen Ozeans. Könnte er diese Sehnsucht befriedigen, so würde damit der Schlußstein gelegt sein zu einer im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts sich immer klarer abzeichnenden Entwicklung, nämlich zu der Verbritischung des gesamten Indischen Ozeans, und der Erreichung dieses Zieles stand als wichtigster Gegner nur noch Deutschland mit seinem ostafrikanischen Besitz im Wege.
Ein kurzer Blick auf die Karte und in die Geschichte des Indischen Ozeans hauptsächlich während der letzten Jahrzehnte vor Ausbruch des Weltkrieges wird uns das sofort klar machen. Anfang des neunzehnten Jahrhunderts setzte sich Enaland auf Kosten der Holländer am Kap der guten Hoffnung fest. Es benutzte die Europa lähmende Napoleonische Krise, um sich hier einen Stützpunkt auf dem Wege zu seinem wichtigsten Kolonialbesitz, nach Indien, der Quelle seines Reichtums, und auch nach Australien zu verschaffen. Nach der erprobten englischen Erfahrung, daß ein maritimer Stützpunkt ohne Hinterland nur in den seltensten Fällen einen dauernden Wert hat, setzten englischerseits auch sofort die Bemühungen ein, das Hinterland am Kap in die Gewalt zu bekommen. Das holländische Siedlerelement, die Buren, wurden dem englischen Szepter unterworfen oder weiter nach Norden gedrängt, wo sie kriegerischen Ein-
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