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Die Zukunft der deutschen Kolonien / hrsg. von Adolf Grabowsky und Paul Leutwein
Entstehung
Seite
23
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Koloniale Wirtschaftspolitik / F. O. Karstedt

Es ist merkwürdig: über die Frage, wie die Ernährung der Bevölkerung Deutschlands in Zukunft sicher und unabhängig vom Ausland zu gestalten ist, wird des langen und breiten mehr oder weniger sachkundig diskutiert. Man verlangt die Annexion gewisser Teile Europas gerade aus dem Gesichtspunkt heraus, um Gelegenheit zu schassen, das Defizit an Nahrungs­mitteln, das unsere Wirtschaft bisher aufwies, auszugleichen. Über das wichtige Kapitel der Rohstoffversorgung aber hört man außerhalb kolonialer Kreise kaum ein Wort. Denn Briey und Longwh umfassen doch nur einen kleinen, noch nicht einmal abfolut wichtigen Ausschnitt ems dieser Frage. Als wenn nicht gerade die Frage, wie wir unserer Wirtschaft die Rohstoffe sichern, mindestens ebenso wichtig ist, wie die der Ernährung! Der Krieg hat uns bewiesen, daß wir mit einer starken Verminderung der vorhandenen Lebensmittel bei ausreichender Rationierung es lange Zeit recht gut aushalten können. Aber die Rohstoffe? Bedenkt man denn nicht, daß bezüglich der Rohstoffe eine folche Rationierung unmöglich ist, daß es vielmehr eine dringende Forderung der Stunde ist, immer wieder auf dieses wichtige Kapitel hin­zuweisen?

Was ist denn der ganze Krieg? Doch nichts anderes als ein gigantischer Wirtschasts- kampf. Geboren in dem Augenblick, als Deutfchland anfing sich seinerseits Raum auf dem Weltmarkt zu schaffen, genährt durch die Bedrängung des bisherigen ausschließlichen Besitzers des Weltmarktes, Englands. Entscheidet er doch über nichts anderes als über die Frage, ob unserer Wirtschaft und damit unserm Volk in der Zukunft freie Bahn gelassen werden oder ob sie der dauernden Rationierung durch England unterworfen werden soll. Vor einem Jahre hat der englische Handelsminister Runciman es klipp und klar ausgedrückt, worauf es England ankommt: Nicderringung der deutschen Wirtschaft! Und nun, wo England das mit den Waffen m der Hand nicht zu gelingen scheint, werden seine Verbündeten mobil gemacht, um eine Wirtschaftskoalition zusammen zu bringen, die bestimmt ist, die deutsche Konkurrenz nach dem Krieg mindestens stark einzuschränken. Es wird bei uns noch immer viel zu häufig über­sehen, daß englische Politik ausschließlich Wirtschaftspolitik ist, daß fich den Forderungen der englischen Wirtschaft olles andere unterzuordnen hat. Nicht umsonst find Leute wie Bonar Law, Chamberlain und wie sie alle heißen, aus dem englischen Wirtschaftsleben hervor­gegangen. Als Kinder des wirtschaftlichen Englands wußten sie, daß die deutsche Gefahr in der Form, wie sie vor den Wählern an die Wand gemalt wurde, zwar nur ein dem Bedürfnis des Parteikampfes vorgemaltes Phantasiebild war, sie wußten aber anderseits, daß die deutsche Wirtschaft drauf und dran war, die englische auf Schritt und Tritt zurückzudrängen und ihr das Leben zu erschweren. Und mag uns der Krieg militärisch noch so große Erfolge bringen, so wird England sich doch so lange als Sieger fühlen und mit Recht als Sieger fühlen, als die deutsche Wirtschaft durch den Krieg eingeschnürt oder beschränkt ist.

Gewiß kann man sich auf den Standpunkt stellen, daß das, was in der Pariser Wirt­schaftskonferenz vom Jahre 1916 gegen uns zusammengebraut ist, nicht so heiß gegessen wer­den wird, wie es sich französische und englische Hitzköpfe vorstellen. Andererseits sollte man ober bei uns in Deutschland die Dinge nicht so auf die leichte Achsel nehmen, wie es vielfach geschehen ist.Wer den Engländer in Geschäftssachen für dumm hält, gerät selbst in die Gefahr dafür gehalten zu werden" sagte Bismarck einmal. Und alles das, was England jetzt hinsicht­lich des Krieges nach dem Krieg gegen uns unternimmt, für eitel Bluff und Schaumschlägerei tzu halten, dürfte eine Naivetät fein, die sich gar zu leicht rächen könnte. Bei uns steht man leider weltwirtschaftlichen Fragen selbst in den Kreisen mit einer verblüffenden Unkenntnis gegenüber, die sich sonst als die Träger der formalen Bildung fühlen. Anders wäre es wirk-