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Die Zukunft der deutschen Kolonien / hrsg. von Adolf Grabowsky und Paul Leutwein
Entstehung
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Der Zwang zur Kolonicilpolitik j Emil Zimmer­mann

Wenn man von Mittel- und Südamerika absieht, waren die Vereinigten Staaten von Amerika und die englischen Kolonien die Hauptziele der deutschen Auswanderung. Von 1871 bis 1914 wanderten 2 680 492 Deutsche nach den Vereinigten Staaten ab, 57 000 etwa nahmen Brasilien als Ziel ihrer Wanderung, 23 000 Australien, über 13 000 Asrika (vornehmlich Süd­afrika), 28 000 mögen nach Kanada gegangen sein. Die Vereinigten Staaten erhielten die Masse der Auswanderung, darunter viele Handwerker und Industriearbeiter; bäuerische Elemente und Farmer suchten Brasilien, Argentinien aber auch Kanada und Australien auf; die Elite Der deutschen Auswanderung aber ging vorzugsweise nach den englischen- Kolonien.

Der gegenwärtige Krieg hat gezeigt, was auch schon in früheren Jahren in die Erscheinung getreten ist, daß gerade die Empfänger der Hauptmasse der deutschen Einwanderung unsere Hauptgegner sind, das britische Weltreich und die Vereinigten Staaten.

Das ist nicht immer so gewesen. Um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts waren deutsche Einwanderer in Südafrika sehr begehrt, und bis über die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts hinaus waren sie in den Vereinigten Staaten, in Kanada und in Australien sehr gern gesehen. Der deutsche Einwanderer war fleißig und bescheiden; er unterwarf sich den Gesetzen und machte keine Schwierigkeiten; leicht ging er auch, besonders vor 1870, in die fremde Nationalität auf. Die deutschen Einwanderer waren in der ganzen Welt die besten Bausteine für die Aufführung neuer kräftiger Wirtschaftsmächte. Man kann wirklich sagen, daß sie das Salz der Erde waren, und wie Salz teilten sie sich fast restlos jedem fremden Brei mit. Das wurde nach 1871 langsam aber wesentlich anders. Der deutsche Name strahlte in Hellem Glanz. In Amerika nahmen deutsches Vereins- und Zeitungswesen einen riesigen Aufschwung. Genau dieselben Beobachtungen wurden in Südafrika und in Australien gemacht.

Zunächst sah das amerikanische und englische Angelsachsentum diesen Ausschwung deut­schen Selbstbewußtseins mit Erstaunen aber ohne Unruhe. Es konnte sogar geschehen, daß am 6. Oktober Z883, als die Deutschen Pennsylvaniens den 200jährigen Erinnerungstag an die Landung des Franz Daniel Pastorius festlich begingen, des Gründers der ersten sesten deutschen Ansiedlung in den Vereinigten Staaten, Andrew White, der spätere amerikanische Botschafter in Berlin, die folgenden Worte sprach:

Man behauptet, daß die Vereinigten Staaten in nicht zu weiter Ferne 1^9 Millionen Einwohner haben werden. Die nationalen Eigcinüinlichkeiten werden sein: deutsche Gründlichkeit, Beständigkeit, Treue, angelsächsische Energie und Sicherheit, keltische Phantasie. Ist es nichiS, daß ein deutsches Element in sol.be Gemeinschaft eintritt? Wir sind in Amerika gewohnt gewesen, von England als von dem Mutter­lande zu sprechen, aber in späteren Zeiten wird für einen grcßcn Teil der Bevölkerung, wahrscheinlich die Mehrzahl, Deutschland das Mutterland sein und zwar ein solches, von dem eS weder Erinnerungen an Krieg, noch an Unrecht zu Wasser und zu Lande scheiden."

In jenen Jahren war noch der Strom der deutschen Auswanderung sehr groß, und die Welt wußte noch nicht recht, welche Folgen das haben sollte; wenn, wie man Wohl hoffen durfte, auch diese Einwanderung im Angelsachsentum aufging, war für England und die Anglo­amerikaner kein Grund zur Beunruhigung gegeben.

Da begann aber der deutsche Auswandererstrom zu stocken, und gleichzeitig nahm de« Export deutscher Waren rasch zu. England machte seinNaäs in Oermari^-Gesetz dagegen; auch die Vereinigten Staaten trafen ihre Maßnahmen; aber die deutsche Ware, vom Über- seedeutschen aufgenommen und in seinem Kreise weiterverbreitet, triumphierte. Es war nicht allein die Güte der deutschen Ware, welche ihren Erfolg ausmachte;