Flottenstützpunkte / Wilhelm Wrabec
Als zu Anfang des Weltkrieges der elektrische Funke Kunde brachte von den kühnen Kreuzerfahrten unserer Auslandsschiffe, da schlug Wohl jedes deutsche Herz höher. Unwillkürlich drängte sich bei dem Hervortreten so hohen seemännischen Könnens und eiserner Pflichterfüllung bis zum ehrenvollen Ende, zu dem unsere Schiffe früher oder fpäter verurteilt waren, und das die Kameraden in der Heimat bei allem erhebenden Mitempfinden ihrer glückhaften Fahrten als mehr oder weniger unabwendbar voraussahen, der Gedanke auf, was hätten unsere Kommandanten aus ihren Schiffen und Besatzungen erst herausholen können, welche Erfolge hätten sie erst erzielen können, wenn ihnen nur einige gesicherte Stützpunkte in den verschiedenen Teilen der Weltmeere zur Verfügung gestanden hätten. Welch anderen Ausgang hätte Wohl die glücklich begonnene Kreuzerfahrt des Grafen v. Spee gehabt, wenn die Falkland-Jnfeln nicht englischer, sondern deutscher Besitz und deutscher Stützpunkt gewesen wären. Es kann ruhig zugegeben werden, daß bisher der Frage der Flottenstationen in der Durchführung der deutschen Marinepolitik vielleicht nicht ganz die Wichtigkeit und Bedeutung zugemessen worden ist, auf die sie Wohl Anspruch erheben durfte. Auch bei den vorhandenen beschränkten politischen Möglichkeiten hätte sich bei entsprechender Opferwilligkeit in der Bereitstellung von Mitteln Wohl manches als durchführbar erwiesen, was zum Schaden unserer in den fernen Weltmeeren kämpfenden Seestreitkräfte leider unterblieben ist. Zuzugeben ist dabei ohne weiteres, daß auch hier die simple Volksweisheit gilt, daß einem das Hemd näher als der Rock ist, und daß der Ausbau unserer heimatlichen Schlachtflotte als Rückgrat unserer maritimen Verteidigung in erster Linie zu berücksichtigen war. Andererseits kann aber nicht geleugnet werden, daß das Fehlen von Stützpunkten eine recht erhebliche Lücke in unserer Seerüstung bildet, wie sie in ähnlicher Weise bei den übrigen Hauptseemächten nicht vorhanden ist. Sicher hätten derartige Stationen im Auslande weitere Angriffspunkte für unsere Feinde abgegeben, aber es unterliegt keinem Zweifel, daß die dafür aufgewandten Mittel sich reichlich bezahlt gemacht haben würden. Sie hätten größere Machtmittel der Feinde gebunden, als sie selbst zu ihrer Verteidigung beanspruchten und wären als Ausfalltore insbesondere für U-Boote gegen die Handelsstraßen von nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen. Fast jedes militärische Hindernis ist letzten Endes zu brechen. Es ist nur die Frage, welche militärischen Mittel und Opfer man dagegen aufwenden kann und will, und ob Opfer und erreichter Erfolg im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Wie noch zu zeigen fein wird, besteht gerade darin der Hauptwert von Flottenstützpunkten, daß sie zu ihrer Pnralysierung durchweg größere maritime Machtmittel des Gegners erfordern, als für sie seitens der sie benutzenden Seemacht aufzuwenden sind.
Der Erwerb von Flottenstationen hat also in erster Linie unter Berücksichtigung strategischer Gesichtspunkt zu erfolgen. „Für die Kriegführung auf See hat das Wort ^Strategie' keinen rechten Sinn" äußerte zwar seiner Zeit der französische Admiral Bouet-Willaumez, der 1870 die französische Flotte befebligte. Lanae Zeit haben daber die Seekrieas-Theoretiker sich vorwiegend mit taktischen Problemen beschäftigt, bis in den letzten Iahren die Anlage und Durchführung der Seekriegsmanöver, sowie die praktischen Se>ekriegserfahrungen zeigten, daß auch in der Seekriegführung die Lösung und Durchführung strategischer Probleme von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Als Flottenstationen sind befestigte, auswärtige militärische Verwaltunasstationen eines Staates anzusehen, die für maebtpolitische Seeverkehrs- und seewirtsckwftlicbe Zwecke bestimmt sind, die als sichere Verforaungs-, Reparatur- und Nachrichtenstellen die Kampfkraft der auf sie angewiesenen Kriegsfahrzeuge im Kriege wie im Frieden erhalten und erhöhen. Als einfache militärische Kohlenstationen kommen mehr oder weniger oder auch gar nicht befestigte Seeplätze in Betracht, in denen lediglich Kohlen für Zwecke der Kriegs-