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Die deutschen Ansiedlungen in Tovär, Laräcas rc.
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geschaffen wäre — was auf absehbare Zeit ein frommer Wunsch bleiben wird.
Trotz der Schwierigkeiten der deutschen Bahn, die mit einem für die gegenwärtigen venezolanischen Verhältnisse zu hohem Kapital ins Leben gerufen ist, befindet sich doch der ganze Betrieb fortgesetzt in einer so musterhaften Verfassung, daß er dem deutschen Namen zur höchsten Ehre gereicht. Der Kommandant des deutschen Kreuzers Geier, Korvettenkapitän Zacobsen, der anfangs (899 vor La Guaira ankerte, hat mit dem Direktor Knoop die Bahn im Extrazug zweimal bis Encanto befahren. Er schildert voll Bewunderung die großartigen Dammarbeiten, Ueberbrückungen und Tunnels, die das denkbar schwierigste Gelände mit staunenswerter Gewandtheit überwunden haben. Geleise, rollendes Material, Bahnhöfe, Alles befand sich in tadellosen: Zustande. Kommandant Zacobsen hebt besonders die schmucken kleinen Anwesen der Stationsbeamten und Wärter hervor, die gegen venezolanische Liederlichkeit und Verwilderung in der wohlthuendsten Weise abstechen.
Auch eine nicht unbedeutende deutsche Ackerbau-Kolonie findet sich in Venezuela, leider von dem großen Verkehr ebenso abgesprengt , wie der Flecken H>ozuzo in H>eru. Es ist das etwa sOO—200 Köpfe (50—60 Familien) starke deutsche Dorf Tovür bei La Victoria, einer Station der deutschen Bahn, eine Tagereise westlich von Tarücas. Die venezolanische Familie Tovur stellte hier bereits im Jahre (8^3 ihr Gebiet unentgeltlich zur Verfügung, um badensische Bauern anzusiedeln. Das Schicksal dieses deutschen Dorfes zeigt so recht den Zammer der völligen Planlosigkeit, mit der unsere deutschen Volksgenossen früher und noch heute, in alle Winde zersprengt, fremden Völkern den Acker bestellen. Anter den kläglichen politischen Verhältnissen Venezuelas wollten die deutschen Ansiedler sich nach Errichtung des Deutschen Reiches endlich wieder unter dessen Schutz stellen. Aber weit gefehlt. Hatten sie doch den Forderungen des Paragraphen so und so über die deutsche Reichsangehörigkeit nicht genügt. Ihre Namen fanden sich seit sO Zähren in der Liste keines deutschen Konsuls mehr vor. Andere hatten die deutsche Reichsangehörigkeit durch Erlangung der venezolanischen Staatsangehörigkeit eingebüßt, ohne ihre Schuld—denn der größte Teil war bereits in Venezuela geboren, und war damit nach dortigem Gesetz ohne weiteres venezolanischer Bürger geworden. So stieß das Reich Leute von sich, die Deutsche bleiben wollten. Gerade solche aber haben wir im Ausland bitter nötig und gewiß nicht im Aeberfluß!
Außer der von Tovür ist die deutsche Kolonie von Taräcas die umfangreichste. Sie erfreut sich heute eines prächtigen Klubhauses, und was für die dauernde Erhaltung deutschen Volkstums in Venezuela ungleich wichtiger ist, seit kurzen: auch einer deutschen Schule. Desgleichen erscheint hier ähnlich wie in Mexiko eine „Deutsche Zeitung". Weitere bedeutende deutsche Siedelungen finden sich in La Guaira, H>uerto Tabello und Maracaibo. Hier hat sich die