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Die Deutschen im tropischen Amerika (Mexiko, Mittelamerika, Venezuela, Kolumbien, Ekuador, Peru und Bolivien) : mit Übersicht über die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse dieser Länder / von Wilhelm Wintzer
Entstehung
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Der kultivierte Norden. Die Llanos.

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III. Venezuela.

Allgemeiner geographischer und geschichtlicher Ueberblick.

Das Wirtschafts-, Wandels- und damit Aulturleben Venezuelas gravitiert nach dem Norden und Nordwesten des Landes. Hier an den Geländen, in den Thälern und auf den Hochebenen der Anden von Ulerida und Eumanü, die mit dem Hauptzug der Aordilleren in Zusammenhang stehen, entfaltet sich die fruchtbarste Vegetation, hier steigt man aus herrlichen Tropengegenden durch reiche subtropische und gemäßigte Flora bis zu Kiefernwäldern und vereinzelten ewigen Schneegipfeln empor. Hier sind die bevölkertsten Provinzen, heute Staaten" der Republik, die selbst die doppelte Ausdehnung, aber nur den 25. Teil der Einwohner des Deutschen Reiches hat. Hier dehnen sich auch die großen Aasfeepflanzungen aus, die den Hauptnahrungs­zweig des Landes bilden. Zwischen den volkreichsten Städten verkehren die Land und Meer verbindenden einzigen Eisenbahnen der Republik. Die Urwälder sind reich an Bau- und Nutzhölzern, an Sassa-si)arilla, Aautschuk, Gummi, Fieberrinde und Farbstoffen Schätzen, die nur zum allerkleinsten Teile gehoben sind. Neben Aasfee werden Vanille, Baumwolle, Zuckerrohr, Tabak, Aakao, Bananen, U)eizen und Aar- tosfeln gebaut. Die Banane ist das Volksnahrungsmittel. Diese Gegenden des nördlichen Südamerika gehören zu den paradiesischsten der gesamten Erde.

Weiter südlich, im gewaltigen Stromgebiet des Grinoco, dessen flach dahinströmende Nebenflüsse nur hie und da von wasser- scheidenden Gebirgen getrennt werden, dehnt sich dagegen bis zu den Urwäldern Brasiliens und Guyanas das ungeheure wüste Grasgebiet Venezuelas aus, die berühmten Llanos. Diese von riesigen Gras­büscheln bestandenen Ebenen liegen trocken in der Sonnenglut da, bis der Sommer mit seinen langdauernden Regengüssen Leben und grüne Vegetation in die Dürre zaubert. Nur die fruchtbaren Flußläuse be­gleitet ein üppiger Baumwuchs. Früher sorgte der ungeheure Vieh- reichtum des Landes dafür, daß sich die zur Regenzeit überall grünenden Aeime zu keinem lebensfähigeren H>flanzenwuchs entfalten konnten. Heute, wo der Viehbestand durch die zahlreichen revolutionären Un­ruhen und die daraus folgende Mißwirtschaft stark verringert ist, be­ginnen schwache Ansätze eines Baumwuchses, auch außerhalb der