Aufsatz 
Die Verwaltung der Kolonien im Jahre 1911 / von Max Fleischmann
Entstehung
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Rechtspflege. Eingeborene.

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V. Eingeborene.

Die Eingeborenenpolitik wird erfreulicherweise mehr und mehr dem Streite der Meinungen entrückt. Das findet seinen Niederschlag auch in dem ungefähren Gleichmaß der Normierungen für die einzelnen Kolonien. Das doppelte und voneinander nicht lösbare Ziel ist die Erhaltung der Ein­geborenen und ihre Heranziehung zur Steigerung des Wertes der Kolonie. Dabei ist es heute nicht mehr erforderlich, die Notwendigkeit einer Grenz­ziehung zwischen Weiß und Farbig zu begründen 1 ). Die Frage der Blut­mischung ist in anderem Zusammenhänge schon berührt.

Der Bestand der Eingeborenen wird mit dem Vordringen des deutschen Sanitätsdienstes zusehends gesichert. Trotz aller Rückschläge ist es der deutschen Verwaltung doch gelungen, auch der Schlafkrankheit in Ost­afrika einen Damm entgegenzuwerfen. In Samoa kämpft der Regierungs­arzt mit Erfolg gegen die endemischen Augenkrankheiten. In ähnlicher Richtung wirken die erwähnten Maßnahmen gegen den Handel mit Brannt­wein (Südwest) und die Zufuhr von Opium (Kiautschou).

Eine gesunde Verteilung und die Abwehr einer Benachteiligung be­züglich des Grundbesitzes zwischen Eingeborenen und Kolonisten streben die schon erwähnten neuen Ordnungen in Kamerun (Kronland), Togo und Samoa an. Ein anscheinend gelungener Versuch der Verpflanzung von Ein­geborenen ist die Überweisung von io OOO ha Land an die Ovambos als Reservat im Hererolande bei Otjero.

Grundlegende und umfassende Maßregeln zur Kontrolle der Einge­borenen sind aus dem Jahre 1910 (15. Oktober) für Kamerun nachzutragen (Kolonialblatt 1911, S. 44). Danach ist erforderlich: eineAnwerbeerlaub- nis zum Dienste außerhalb der Landesgrenze, auch auf Seeschiffen (Gebühr 20 Mk. für jeden Eingeborenen) eineAuswanderungserlaubnis und eine Ausführungserlaubnis namentlich zur Mitführung nach Europa (niemals erteilt für Schaustellungen) und nur unter der schriftlichen Verpflichtung zur Fürsorge, zum Unterhalt und zur Rückbeförderung (500 Mk. Sicherheit des Gesuchstellers, 20 Mk. Gebühr für den Reisepaß jedes Eingeborenen). Weiter kann der Gouverneur zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicher­heit und Ordnung allen Eingeborenen, die nicht schutzgebietsangehörig sind, aber auch den Angehörigen bestimmter Stämme oder Bezirke im Schutz­gebiete, die Freizügigkeit beschränken oder ihnen eine Paß- oder Meldepflicht auferlegen unter Festsetzung von Paß- und Meldegebühren. Eine solche zweckmäßige Verbindung von überwiegenden Polizei- und unterstützenden Finanzmaßnahmen findet sich auch in der Änderung der Paß Verordnung für Süd west (20. Juli), die auf die Ausstellung eines Reisepasses für Ein­geborene eine Gebühr von 2 Mk. setzt. Am Jahresschlüsse noch ist eine durch die wirtschaftlichen Verhältnisse notwendig gewordene und lange er­wartete Verordnung über die Anwerbung und Arbeitsverhältnisse einge­borener Arbeiter für Südwestafrika ergangen (16. Dezember) 2 ). Aus-

b Das Problem der Eingeborenenbehandlung erörtert Frh. v. Dalwigk in einer SchriftDernburgs amtliche Tätigkeit im allgemeinen und seine Eingeborenen­politik in Deutsch-Ostafrika im besonderen 1911. Über das Eingeborenenrecht, Pereis in denGrenzboten" 1912, Heft 1. Beachtenswerte Mitteilungen über die Bewährung einer Strafkolonie für Eingeborene in Togo macht Asmis in derKolo­nialen Rundschau" 1911, Heft 9.

2 ) Verkündet bisher nur imAmtsblatt für das Schutzgebiet Deutsch-Süd­westafrika Nr. 1 vom 1. Januar 1912.