Aufsatz 
Die Verwaltung der Kolonien im Jahre 1911 / von Max Fleischmann
Entstehung
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Fleischmann, Verwaltung der Kolonien 1911.

machte in der Budgetkommission des Reichstags (13. März 1912) die erfreu­liche Mitteilung, daß von Nauen ausgesandte Funkensprüche Togo erreicht hätten. Für Kiautschou ist die Funkenverbindung schon länger eingerichtet. Auf den Karolinen bestehen in Jap und Angur Stationen, von denen die in Jap zum Ausgangspunkte eines funkentelegraphischen Netzes in der Siidsee ausgebaut wird. An der Verwirklichung dieser Pläne ist nicht zu zweifeln: steht doch an der Spitze der Reichspostverwaltung ein Fachmann, der gerade clen Dienst in den Südseekolonien aus eigener Praxis kennt, eine heute noch vereinzelte Erscheinung. Und im Verein mit dem Wirken des jetzigen Staats­sekretär des Kolonialamts wird jawohl auch Samoa die längste Zeit unberück­sichtigt geblieben sein. Als Auftakt mag die Verfügung gelten, daß Tele­gramme zwischen der Heimat und den Kolonien in Afrika und Tsingtau zur Hälfte der bisherigen Sätze befördert werden sollen.

Die See Verbindungen haben nur mäßigen Ausbau erfahren. Die Über­tragung von deutscher Münze, deutschem Maß und Gewicht, die Erstreckung deutscher Gesetzgebung insgemein nach den Kolonien, das geistige Band (vgl. III), Bestrebungen, für die das Berichtsjahr manchen Beitrag liefert, sollen nicht außer acht gelassen sein. Ein Bindemittel besonderer Art liegt in den Bestimmungen der neuen Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli, die zwar den Versicherungszwang mit Fug noch nicht auf die Kolonien ausdehnt, die aber für die Fälle, wo der Genuß der Vorteile des Ge­setzes nur demjenigen ungeschränkt zukommt, der sich im ,, Inlande auf­hält, die Schutzgebiete ausdrücklich dem Reichsgebiete gleichstellt.

Die Frage über Gleichstellung von Kolonie und Heimat und der zoll- politischen Behandlung wird von den Interessenten keineswegs gleichmäßig beantwortet *).

III. Geistiges und Geistliches.

Das sind doch die kräftigsten Bänder, die zusammenschließen und Zu­sammenhalten, ohne daß man dessen bewußt zu werden braucht. Mit dem Wachstum der weißen Siedler, um das einmal buchstäblich zu nehmen, müssen nach deutscher Art auch die Schulen wachsen. Daß dies in vorderster Reihe für Tsingtau und Windhuk gilt, versteht sich von selbst und findet in dem Bestehen auch höherer Lehranstalten (dazu wäre übrigens nach ihrem Lehr­plane auch die Karlsschule der Berliner Missionsgesellschaft in Tandala, Ostafrika zu rechnen) einen sichtbaren Ausdruck. Als besonderer Fort­schritt ist aber die Ausdehnung der im Jahre 1906 eingeführten allgemeinen Schulpflicht für die Kinder der weißen Bevölkerung in Südwestafrika zu würdigen. Die Pflicht ist durch die Verordnung vom 28. Oktober 1911 (Amtsblatt für Südwest Nr. 15) jetzt über die Kinder, die sich bis zu 4 km am Sitze einer Regierungsschule aufhalten, hinaus erstreckt worden, aller­dings für die Regel nur vom 8. bis 12. Lebensjahre und vorläufig noch ohne Wirkung für die Bezirke Grootfontein, Gobabis, Outjo, Rehoboth, Bethanien. In Ostafrika gedeihen die Europäerschulen, von denen drei die Regierung, drei die Missionen unterhalten. Bedauerlich bleibt bei der nicht ausreichenden Schülerzahl die konfessionelle Spaltung der Schulen in Windhuk und Dares­salam (vgl. auch Jahrbuch I, 105, II, 68, III, 50, IV, 193199).

Für das gesamte Schutzgebiet Neuguinea hat sich eine deutsche evan­gelische Kirchengemeinde mit dem Sitze in Rabaul gebildet, bemerkenswert

') Vgl. Jahresbericht der Handelskammer in Hamburg.

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