Aufsatz 
Die Verwaltung der Kolonien im Jahre 1911 / von Max Fleischmann
Entstehung
Seite
14
Einzelbild herunterladen
 

i=ss?

Behörden der unmittelbaren Landesverwaltung. Berufsbeamte. Ehrenamt. 61

Daß der Pensionsfonds für die Landespolizei in Südwest schonlawinen- haft anschwelle, dieses Wort aus den Verhandlungen des Landesrats ver­dient vielleicht festgehalten zu werden. Besonders erfreulich ist es, daß die Zahl der verheirateten Beamten zunimmt, nicht bloß in Südwestafrika, sondern auch in Ostafrika und selbst in Kamerun. Es wachsen die Räume, aber es muß Sorge getragen werden, daß sich auch das Haus zur Unterkunft dehnen kann.

3. Ehrenamt (Selbstverwaltung).

Die Heranziehung von nicht berufsmäßigen Beamten zur Erledigung von Verwaltungsaufgaben ist in immer weiterem Maße erfolgt und läßt das Gewicht erkennen, das die Kolonialregierung diesem Faktor beilegt. In breiterem Rahmen haben die Verhandlungen des Landesrats für Südwest den Wert der Einrichtung für die Verwaltung, sowohl was das Nutzbarmachen ihrer Erfahrungen anlangt als was das Gleichgewicht gegenüber dem Berufs- beamtentume und schließlich die Stärkung des eigenen Verantwortlichkeits­gefühls betrifft, vollauf bestätigt 1 ). Man kann noch nicht von bedauerlichen Rückschlägen reden, wenn einmal in Kiautschou die Wahlen zur Bürger­schaft eine allerdings auffallend geringe Beteiligung gefunden haben 2 ); es wählten dort nämlich von 202 wahlberechtigten Grundbesitzern nur 25 und von 68 wahlberechtigten europäischen Firmeninhabern nur 19. Dieses Anzeichen abflauenden Interesses kehrt vielleicht mehr eine andere Seite unserer kolonialen Selbstverwaltung hervor: an ideellem Glanze fehlt es ihr nicht, mehr dagegen fehlt es den Selbstverwaltungskörpern, vor allem den Kommunen noch immer an genügender materieller Ausstattung. Es scheint fast, als ob an der Zentrale noch nicht oder nicht immer eine ausreichende Klarheit über den Vermögensbestand der kolonialen Kommunen obwaltete, wobei ja zuzugeben ist, daß die rechtlichen Beziehungen nicht durchweg mit dem heimischen Maßstabe gemessen werden können, und daß deshalb die Rechtslage ihre eigenartigen Schwierigkeiten aufweist. Hier liegen z. B. die Hemmungen für die Durchführung der Selbstverwaltung in den Stadt­gemeinden Daressalam und Tanga 3 ). Hieran liegt es wohl auch, daß die Ge­meinde Swakopmund nicht weiter in der Lage ist, einen besoldeten Bürger­meister beizubehalten. Im übrigen rechnet der Etat kolonialer Städte doch unter Umständen schon mit außerordentlich hohen Summen: der Haushalts­plan für Lüderitzbucht auf das Jahr 1911/12 ist bis auf 462 600 Mk. gestiegen, während das vorige Jahr noch mit 381 300 Mk. abschloß. Unter den Aus­gaben erfordert allerdings die Wasserversorgung 204 OOO Mk., die Gesundheits­pflege 71 400 Mk., Wohlfahrtseinrichtungen 51 200 Mk. (darunter Schul­wesen 18000, Straßenbau 20 000, Straßenbeleuchtung 8000, Feuerlösch­wesen 4000, Armenpflege 1200 Mk.), Verwaltungsaufwand 38920 Mk. Für

1 ) Zur Beratung waren dem Landesrate u. a. folgende Vorlagen zugegangen: Der Etat für 1912, Verordnungen über die Besteuerung des Grundeigentums, Bestrafung von Zuwiderhandlungen gegen kommunale Steuervorschriften, Schlachtvieh- und Fleischbeschau, Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, Verkehr mit Spreng­stoffen, Anwerbung und Arbeitsverhältnisse der eingeborenen Arbeiter, Aufsuchung von Diamanten.

2 ) Im folgenden werden die Spuren der parlamentarischen Arbeit wiederholt begegnen. Näheres inKolonie und Heimat" Nr. 38. Vgl. ferner Kolonial-Jahrbuch I 86.

3 ) Siehe in der Frankfurter Zeitung vom 10. November.

14