Geistiges und Geistliches. Land und Leute.
57
als Organisation einer Art von Landeskirche. Auch die Missionen betätigen sich mehr und mehr als Glieder oder Mitglieder des deutschen Staatskörpers, ohne daß hierunter das Wesen ihrer Aufgaben zu leiden braucht. Ein Beispiel mag für jeden Teil dies belegen. In Ostafrika gestaltete sich die evangelische Missionskonferenz, die in Daressalam vom 13.—19. August tagte 1 ), zu einer eindrucksvollen Kundgebung; es wurde außer dem Zusammenschluß der evangelischen Missionen besonders auch die Frage beraten: Was kann von seiten der Mission geschehen, daß die Mission nicht als isolierter Faktor wirkt, sondern in eine gewisse Fühlung mit den andern auf die Entwickelung des Landes einwirkenden Faktoren kommt? Für die katholische Mission ist den veränderten politischen Verhältnissen dadurch Rechnung getragen 2 ), daß in Lösung von spanisch-kirchlichen Beziehungen für die Karolinen und Marianen nunmehr ein gemeinschaftliches eigenes apostolisches Vikariat (ein besonderes für Guam) errichtet worden ist.
Dritter Abschnitt.
Auf kolonialem Boden.
I. Land und Leute.
Die Überwanderung in die Kolonien weist nicht nur an sich erfreuliche Ziffern, sondern auch eine erfreuliche Festigung auf. Manches Zagen und manches Vorurteil ist nach den Erfahrungen der letzten Jahre abgestreift. Ganz überwiegend gilt dies natürlich für Südwestafrika. Für Ostafrika hatte die Hauptversammlung der deutschen Kolonialgesellschaft in Stuttgart (1911) die Hoffnung ausgesprochen, daß der Besiedelung seitens des Reichskolonialamts in Zukunft größere Aufmerksamkeit und Förderung entgegengebracht werde. Darauf ist vom Staatssekretär Solf die Versicherung erfolgt (16. Jan. 1912), daß der Gouverneur von Deutsch-Ostafrika auf dem Standpunkte stehe, was das Gouvernefnent zur Förderung und Mehrung der europäischen Bevölkerung tun könne, sei neben der Gewährung der persönlichen Sicherheit, des rechtlichen Schutzes und der ärztlichen Versorgung 3 ) in der Flauptsache die Herstellung und Vervollkommnung der Verkehrswege, die es den angesiedelten Europäern gestatte, ihre Produkte an den Markt zu bringen. Nach dieser Richtung geschehe alles, was mit der Finanzlage des Schutzgebietes vereinbar sei. Weitere Maßregeln im Interesse der Besiedelung ließe der Gouverneur seinem ausgiebigen Studium besonders angelegen sein. Ich möchte auf den Schlußsatz der amtlichen Zuschrift besonderen Nachdruck legen, daß Wünsche und Vorschläge der Kolonialgesellschaft auf diesem Gebiete dem Staatssekretär willkommen und der sorgfältigsten Prüfung sicher seien. Als nicht unwesentlicher Ansatz zur Ausführung dieser Pläne darf man das Bestreben betrachten, das ärztliche Laboratorium in Daressalam zu einem Institut für Seuchenbekämpfung auszubauen, namentlich auch zu dem Zwecke, um die wissenschaftliche Unterlage für die Akklimatisationsfähigkeit unserer Rasse in der Kolonie zu gewinnen. Die Zahl der verheirateten
b Bericht in der „Kreuzzeitung“ vom 1. X. 1911, Nr. 461, 3. Beilage.
2 ) Urkunden im Archiv für katholisches Kirchenrecht 1911. S. 484.
3 ) Darüber unten im Abschnitt V über „Eingeborene“, sowie die Verordnung des Reichskanzlers über Errichtung und Betrieb von Apotheken in Afrika (außer Südwest) und der Südsee vom 12. I. 1911 (Kolonialblatt S. 41).
10