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Dritte Abtheilung.
Stand der Musik im ersten Viertel des igten Jahrhunderts — vorzüglich der Anstalten in Deutschland.
§• 1. •
Nach einer aufmerksamen Uebersicht des Versuchs einer historischen Aesthetik und dieser Chronik der Tonkunst, kann man behaupten, dass die Tonkunst zu unserer Zeit im Wesentlichen den höchsten Gipfel ihrer Ausbildung erreicht habe (1. Th. p. 261). Unsere Vorfahren in allen Zeiträumen sind wohl auch der Meinung gewesen, dass sie am höchsten ständen; aber wir urtheilen nach einem anderen Standpunkte.
Mit der höheren Kultur der Menschheit, mit Erfindung neuer Mittel, mit Erscheinung neu geweckter Genie's gewinnen die Wissenschaften und Künste neue Entwicklungen und neue Gestalten. Allein diese müssen stets innerhalb der Begrenzung ihrer Natur bleiben, und die Geschichte lehrt uns, dass jede Kunst nur eine gewisseHöhe erreicht hat, dass es in jeder ein non plus ultra gibt.
Was lässt sich erwarten, wenn die Menschheit aus einem langen Nachtleben in allmähliger Entfaltung zum hellsten Tagleben gekommen, und die Sonne der Genialität durch den Meridian der Kunstwelt gegangen ist? Wie kann die Kunst noch steigen, wenn alle Kräfte entwickelt, alle Mittel in ihrer Anwendung erschöpft, und alle Aufforderungen des intelligenten Geistes befriedigt sind?