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Theil 2 (1830) Übersicht einer Chronologie der Tonkunst mit Andeutungen allgemeiner Civilisation und Kultur-Entwickelung / von Dr. Wilhelm Christian Müller, Lehrer an der Hauptschule in Bremen
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ger, der mit s. Festigkeit prahlte, und sonst keine Kenntniss hatte, in der Kirche unter der Messe durch die Begleitung confus zu machen, zu gänzlicher Stok- kung und in einen anderen Ton zu verleiten. In seinem i8ten Jahre hatte er noch keine bürgerliche Lebensmanier. Die Collegen neckten ihn, darüber wurde er argwöhnisch. Er spielte aber schon wie ein Meister, phantasirte die wundervollsten Variationen auf der Orgel, und gewann sich stets höhere Achtung. In diesem Jahre (1786) r. die aus­gezeichnetsten Kapellisten nach Mainz, um da Konz, zu geben; sie nahmen ihn mit. Der Abt und Kpm. Sterkel nahm sie freundlich auf. B. wollte nicht vor ihm spielen, aus Blödigkeit. Der Abt spielte in sei­ner feinen Manier; B. stand im Winkel in der Fi­gur eines Bauerntölpels in Aufmerksamkeit ver­sunken. Sein Vortrag war bisher voll Kraft, aber ohne Grazie gewesen. Er hatte noch keinen schö­nen Spieler gehört. Jetzt wurde er mit Gewalt ans Pf. gezogen er phantasirte erstaunenswürdig, und mit neuer feiner Manier. Er sollte seine schon be­kannten Variationen spielen j da er aber nur einige aus dem Gedächtnisse wusste, so spielte er sofort noch ein ganzes Dutzend neue hinzu. Von nun an stu- dirte er den Vortrag (diess nach der Erzählung des alten Simrock's, der dabei war). Er setzte vie­lerlei, war aber selten mit etwas zufrieden, weil die­ses nie seinem idealisch Phantasirten entsprach. Es fehlte ihm der höhere Contrapunkt. Der Churfiirst schickte ihn daher zu diesem Zwecke nach Wien zu llaydn, im Herbste 1792. Der alte, eben von Lon­don zurückgekommene, humane Meister nahm den schüchternen Kunstjünger wie einen Sohn auf, und tlieilte ihm alle seine Beobachtungen und Kunstge­heimnisse mit. Er sagte ihm ohngefähr Folgendes: »Wenn ich noch einmal anfangen könnte, so wollt« ich ganz andere, noch nie gehörte W . schal'-