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T. 1 (1914) Die Reise: Eindrücke und Beobachtungen / unter Mitarb. von Marie Pauline Thorbecke und Leo Waibel
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ebenso ist der Haussah der Vermittler in der Fleischvers orgung der Küste, wo der Bedarf der Europäer dauernd im Steigen begriffen ist.

Bis zum Eintritt des europäischen Kaufmanns in den innern Handel der Kolonie war dieser schwarze Wanderhändler Alleinherrscher, im Lande der an der Scholle haftenden Neger stellte er das Prinzip der Bewegung dar. Ihm gelingt es auch stets, die oft für den Weißen schwere Frage der Trägerbeschaffung fast spielend zu lösen, da er nie eine größere Anzahl auf einmal braucht. Für ein kleines Geschenk, besonders für zauberkräftige Amulette und ganz geringe Bezahlung natürlich nie in Bargeld erhält der Haussah von jedem Häuptling Träger, wenn er selber nicht genug eigene Leute hat. So kann er in dem einen oder andern Handelsartikel erfolgreich den Wettbewerb mit den europäischen Faktoreien des Innern aufnehmen, die außer dem Trägerlohn in Bargeld auch noch die sehr hohe Gebühr für amtliche Anwerbung von Trägern zahlen müssen, sobald sie ihre Leute durch die Regierung erhalten, ohne deren Vermittlung in manchen Gebieten überhaupt nicht ein Mann zu bekommen ist. In Jaunde kauft man Salz billiger beim Haussah als in der Faktorei; in Joko haben wir selbst gesehen, daß der Haussah denselben Stoff, für den der weiße Kaufmann 2 Mark 50 nahm, für 2 Mark 25 hergab.

Doch im allgemeinen kann der Handel dos Haussah nicht in Wettbewerb mit dem des Europäers treten. Die Haussah haben sehr schnell begriffen, daß es für sie ein Vorteil ist, wenn sie den Faktoreien in die Hände arbeiten. In manchen Gegenden Kameruns liegt der Gummihandel vollkommen in den Händen der Haussah. Sie ziehen im Lande hin und her, auf schmalen, schlechten Neger­pfaden, von denen der Europäer nichts weiß, und suchen in den Wäldern nach Gummipflanzen; sie kommen in die kleinsten Dörfer und tauschen den Einge­borenen den von diesen gesammelten Gummi gegen Waren ab, sie so der Mühe überhebend, bis zur nächsten Faktorei selber laufen zu müssen.

Jeder Haussah hat alljährlich bei der nächsten deutschen Station einen Wandergewerbeschein für 25 Mark zu lösen; an den großen Summen, die dafür eingehen und jährlich allein auf den beiden Stationen Dengdeng und Joko zusammen mehr als 30000 Mark einbringen, kann man sich ungefähr einen Begriff davon machen, welche Werte in Kamerun durch den Haussahhändler in Umsatz gebracht werden 1 .

In Joko befinden sich zwei Faktoreien europäischer Firmen, eine unter Leitung eines Weißen. Auch hier spielt noch immer der Gummi-Einkauf die Hauptrolle, trotzdem er gegen frühere Jahre sehr nachgelassen hat. Der Kauf­mann Colin teilte uns seine ebenso interessanten wie für die Erziehung des Negers bedauerlichen Erfahrungen mit, die er seit der Einführung derGebühr für amtliche Trägeranwerbung" gemacht hat. Die Wute haben einen noch viel geringeren Arbeitstrieb als der Durchschnittsneger sonst. Lasten tragen oder auf der Faktorei arbeiten halten sie eines Herrenvolks für unwürdig, trotz­dem die Arbeit Geld einbringt, das hier oben seit Abnahme der Gummi- Vorräte auf andere Weise kaum zu verdienen ist. Früher hat die Station den

' Vergl. Thorbecke. Haussahhändler. Deutsche Kol.-Ztg. 1912. Nr. 52.