Teil eines Werkes 
T. 1 (1914) Die Reise: Eindrücke und Beobachtungen / unter Mitarb. von Marie Pauline Thorbecke und Leo Waibel
Entstehung
Seite
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Auf einer deutschen Station

Die kaiserliche Regierangsstation Joko liegt in einer Meereshöhe von 1000 m etwas südlich von der Wasserscheide zwischen Kim und Djerem. Auf derselben flachen, rings von tief eingeschnittenen Bachtälern begrenzten Kuppe, auf der heute die leuchtend weißen Mauern und der 18 m hohe Turm der Station schon von weither sichtbar sind, lag in früheren Zeiten das befestigte Dorf des Wute-Häuptlings, der dem Lamido von Tibati Untertan und tribut­pflichtig war. Vor mehreren Menschenaltern soll der Lamido Adubaba dieses Wute-Land erobert, Wall und Graben gebaut und einen Wute als Verweser und Unterhäuptling dort eingesetzt haben. Dem ersten Weißen Morgen gegenüber, gab sich der Statthalter als Fullah aus, trotzdem er reiner Wute- Abkunft war. Die Wute-Bezeichnung des Bergzuges, auf dem die Station liegt, ist Mendjan; Joko ist der Name, den die Fullah dem befestigten Dorf gaben, es bedeutet soviel wie: weiter Blick. Und dieser Name ist für den Charakter der Lage treffend: frei und weit schweift das Auge nach Süden, Osten und Norden über den Steilrand der Ndomme, dessen Verlauf an der Ostseite der Hochfläche man von Joko besonders gut nach Norden verfolgen kann und darüber hinaus in die schier endlose Ebene des Djerem. Bei klarem Wetter, in den Pausen zwischen den gewaltigen Niederschlägen der Regenzeit, hat man eine erstaunliche Fernsicht; wir haben mehr als einmal den Steilrand des Ngaumdere-Hochlands im Norden und Berge, die südlich des Sanaga liegen, zu gleicher Zeit gesehen. Zur Anlage einer Station, die bis zum Jahre 1908 als Militärposten die unruhigen Wute im Zaum halten und zugleich ein Bollwerk gegen die Fullah sein sollte, konnte kaum eine günstigere, beherrschendere Stelle gefunden werden.

Im Jahre 1908 wurde Joko Regierungsstation, die dem Bezirksamt in Jaunde untersteht; zur Zeit unserer Reise wurde sie stellvertretend durch Polizei­meister Max Müller verwaltet, der in Jaunde in D ominiks Schule in langjährigem Kolonialdienst ein vorzüglicher Verwaltungsbeamter geworden war. Außer dem Stationsleiter ist nur noch ein weiterer Beamter in dem Riesenbezirk Joko tätig, ein Polizeimeister, dessen Person während unseres Aufenthalts zweimal wechselte.

Die Station Joko ist als Festung gebaut, freilich nicht als Festung im heutigen europäischen Sinne; sie gemahnt vielmehr an eine mittelalterliche Burg­anlage, die mit ihren dicken, etwa 5 m hohen, zinngekrönten Umfassungsmauern ein für Neger uneinnehmbares Bollwerk darstellt. Die befestigte Anlage mag einen Flächenraum von annähernd 5000 qm einnehmen, die nordöstliche und südöstliche Ecke des länglichen Rechtecks sind turmartig erhöht und ausgebaut,