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Kamerunholz verarbeitet, sind aus der ehemaligen Mangrovenwildnis emporgewachsen.
Täglich geht ein Zug ins Innere, täglich trifft einer an der Küste ein, doch wurde 1911 nur jeden zweiten Tag die ganze Strecke bis Nkongsamba befahren. Der Lokalzug ging nur bis Njombe, etwa 90 km landeinwärts. Heute, 1914, wird die ganze Strecke täglich in beiden Richtungen befahren, weil der Güterverkehr sonst nicht bewältigt werden kann. Die Bahn führt drei Wagenklassen: die erste nur für Europäer, die zweite für jedermann, die dritte nur für Farbige. Diese vernünftige Scheidung wird streng eingehalten und hat sich sehr bewährt. Die Lokomotive wird von einem Europäer geführt, das ganze übrige Zugpersonal ist schwarz; der höfliche Zugführer, ein Togomann, fordert auf jeder Station am Ende der noch nicht zu vermeidenden längeren Aufenthalte mit „Bitte einsteigen" zum Weiterfahren auf. Auch die Postbeamten und die Stationsvorsteher der kleineren Stationen sind Neger, meist Togoleute, seltener Duala; es werden nur solche angestellt, die deutsch sprechen und schreiben.
Die Bahn durchfährt zuerst den Mangroven-Gürtel der Küste, der mit den oft stark versumpften Kreeks an die technische Bauleitung große Anforderungen gestellt hat; dann durchquert sie in mehrstündiger Fahrt den gewaltigen Tieflandurwald, dessen Riesenstämme häufig mit Dynamit gesprengt werden mußten; nur ganz allmählich steigt sie im Wald empor. Auf den Waldstationen entwickelt sich buntes Leben, der Zug wird von Haltepunkt zu Haltepunkt und auch schon auf längere Strecken von den Eingeborenen gern benutzt, mehrere Wagen dritter Klasse sind stets voll besetzt, und jedesmal wiederholt sich dasselbe Geschrei und Handeln um alle möglichen Landesprodukte, die meist von Weibern zum Verkauf an die schwarzen Reisenden an den Zug gebracht werden.
Am 20. November 1911 fuhren wir mit dem Zuge, der 8 Uhr früh von Bonaberi abgeht, hinein in den Kameruner Urwald. Am km 7 bei Makka hat das „Öl-Syndikat" inmitten ausgedehnter, natürlicher Ölpalm-Ländereien eine ölfabrik eingerichtet, um die großen Verluste zu vermeiden, die die primitive ölgewinnung der Eingeborenen stets im Gefolge hat. In Njombe, auf der Tabakpflanzung der „Tabak-Bau-Gesellschaft Kamerun", nahmen wir für zwei Tage unseren ersten Aufenthalt im Innern. Die Pflanzung steht unter der sachkundigen Leitung eines alterfahrenen Sumatra-Pflanzers. Mit jedem Kilometer Fahrt konnten wir die Wirkungen des Bahnbaues auf die wirtschaftliche Entwicklung des Urwald- Gürtels mehr und mehr erkennen. Wo früher kaum ein Negerpfad die Waldwildnis durchzog, wo tiefes, ewiges Schweigen in dieser fast undurchdringlichen Waldwüste herrschte, wo nach außen das strotzendste Leben, im Innern ein ewiges Modern und Sterben für alle Ewigkeit zu herrschen schien, wo wir 1908 kaum durch das Dickicht des Unterholzes und das Gewirr der Lianen hindurchkamen, wo der Bahnbau seine Trace nur durchführen konnte durch Sprengarbeiten, die nicht etwa Felsen, sondern die Riesen des Urwaldes wegschaffen sollten — da herrscht heute überall Leben, Verkehr; da schießen die wirtschaftlichen Unternehmungen, besonders neue Pflanzungen, wie Pilze aus dem Boden. Und wo wir 1911 noch zwischen grünen Waldesmauern Inndurchfuhren, da breiteten sich bei unserer Rückfahrt 1913 weite, frei geschlagene, vom Urwald