Druckschrift 
Bd. 2 (1898)
Entstehung
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Viertes Kapitel.

Die Kardenbergischen Streitigkeiten.

Mit dem Religionsfrieden war der Sieg des Protestantismus besiegelt. Er hatte sich nicht allein gegen die alte Kirche und die mit ihr verbündeten Mächte behauptet, sondern ihm eröffneten sich auch die besten Aussichten zu weiteren Fortschritten durch die mächtige Wirkung, die der Ersolg auf die Gemüter der Menschen ausübt. Aber die Parteiuug ist nun einmal seit den ältesten Tagen das Schicksal Deutschlands. Wenn die führenden Geister dahingegangen sind, die alle Kräfte einem großen Ziele dienstbar zu machen verstanden, so löst sich alsbald das Verständnis für das allen Gemeinsame auf und in dem soeben noch einigen Lager beginnt ein erbitterter Kampf der Meinungen. Niemals hat er auf die Geschicke unseres Volkes einen so tiefgreifenden, noch bis heute nicht überwundenen Einfluß geübt, wie in den Jahren, die dem Neligionsfrieden folgten. In dem Hader der Theologen, die hüben und drüben auf den Namen Luthers sich beriefen, ging dem Protestantismus die Fähigkeit verloren, die Nation sich gänzlich zu eigen zu machen. In zahlreiche religiöse Parteien zerspalten, deren Namen der Gegenwart so inhaltsleer erscheinen, wie vielleicht künftigen Geschlechtern die unserer heutigen politischen

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