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Die deutschen Kolonien : ein Bilderbuch aller deutschen Kolonien ; mit 168 photographischen Aufnahmen / von Paul Rohrbach. Hrsg. mit Unterstützung der Deutschen Kolonialgesellschaft
Entstehung
Seite
42
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Kiautschou

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4 4 nsere ostasiatische Kolonie ist bei uns meistens unter dem Namen Kiautschou bekannt. Eigentlich wäre es besser, statt dessen den Namen Tsingtau zu brau­chen, denn Kiautschou ist eine Stadt, die gar nicht zum deutschen Gebiet gehört, sondern zu China. Die BezeichnungSchutzgebiet von Kiautschou" stammt daher, daß die Gewässer und ein Teil der Küste der nach jener Stadt Kiautschou genann­ten Bucht vom Reiche erworben sind. Die deutsche Kolonie wird durch die Bucht selber, durch die vorgelagerten Inseln und durch zwei Landstücke zu beiden Seiten des Eingangs in die Bucht gebildet. Auf der Ostseite des Eingangs ist die mo­derne deutsch - chinesische Stadt Tsingtau als Stützpunkt für unsern Handel und für unsere Marine erbaut. Rings um die Bucht hat China sich verpflichtet, auf einem fünfzig Kilometer breiten Landstrich, der sogenannten neutralen Zone, keine militärischen Maßnahmen ohne Deutschlands Einverständnis zu treffen.

Die chinesische Provinz Schantung bildet das Hinterland von Tsingtau. Sie ist etwa halb so groß wie Preußen, aber sehr dicht bevölkert; die Einwohnerzahl be­trägt zwischen ZO und 40 Millionen, die fast alle von intensivem Ackerbau leben. Daß Deutschland hier an der Küste von Schantung eine Kolonie erwarb, geht zurück auf die Ereignisse in China seitdem chinesisch-japanischen Kriege von 1894. Die Japaner besiegten die Chinesen vollständig und wollten sie zu einem ungün­stigen Frieden zwingen. Den Interessen der europäischen Mächte entsprach die Verwandlung Chinas in einen japanischen Vasallenstaat nicht, und daher misch­ten sich Deutschland, Rußland und Frankreich zugunsten Chinas in die Friedens­verhandlungen ein, so daß Japan seine Bedingungen mildern mußte. Als Entschä­digung für diese Intervention konnten die drei beteiligten Staaten eine Gegen­leistung von den Chinesen verlangen. Rußland griff gleich im großen zu und er­zwäng sich von China die Einräumung der Vorherrschaft in der ganzen Mandschu­rei, dem Stammlande des chinesischen Kaiserhauses, sowie die Abtretung des wich­tigen Kriegshafens Port Arthur. Auch Frankreich und in der Folge England ließen sich bedeutende Konzessionen machen. Die deutsche Regierung entschied sich, gestützt auf das Urteil des großen Geographen Ferdinand von Richthofen, des besten Kenners von China, für die Kiautschoubucht. Noch bevor die Verhandlungen hier­über mit China begannen, ereignete sich ein Zwischenfall, der zur Landung deutscher Marinetruppen und zur Besetzung des chinesischen Truppenlagers von Tsingtau führte. Schon seit längeren Jahren war eine deutsche katholische Missionsgeseü- schaft im Innern von Schantung tätig. Im Herbst 1897 entstanden, wie so oft in China, auch in Schantung Unruhen, die ihren Grund in der allgemeinen Ab­neigung des Chinesen gegen die fremden Missionare hatten. Hierbei wurden zwei deutsche katholische Priester durch den fanatisierten Pöbel ermordet. DieseHVor- fall,für den China Genugtuung und Sühne an Deutschland schuldig war, gab den Anlaß zur unmittelbaren Besetzung von Tsingtau am 14. November 1897. Nach einigen Verhandlungen willigte die chinesische Regierung in die Abtretung des

» z Gebietes ein, und im Januar 1898^wurde darüber ein förmlicher Vertrag ab-

S S geschlossen. Um das Selbstgefühl der Chinesen zu schonen, wurde nur von einer

> L Verpachtung an Deutschland auf 99 Jahre gesprochen,

z » Seit jenem Jahre 1898 ist nun auf dem hügeligen Gelände, am östlichen Ufer der

» » Einfahrt in die Bucht von Kiautschou, eine Stadtanlage entstanden, von der man