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Der deutsche Gedanke in der Welt / Paul Rohrbach
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ERSTES KAPITEL

GESCHICHTLICHE LASTEN

Das erste Gefühl, das uns überfällt, wenn wir an die In­ventur unseres nationalen Vermögens herantreten, ist das des Schmerzes über unsere politische und religiöse Zertrennung. Von dem Gebiet, das vor einem halben Jahrtausend Deutsches Reich war und das die deutschen Stämme, der Idee nach in einem staatlichen Organismus geeint, bewohnten, fehlt Deutsch­land heute mehr als ein Drittel: die deutschen Länder Öster­reichs, die Niederlande und Belgien und die Schweiz. Rechnet man noch die livländischen Territorien von der Memel bis zum Finnischen Meerbusen hinzu, wo die Masse des Bauernstandes zwar undeutsch war, Bürger und Ritter aber deutsch und die Fürsten und Landesherren Stände des Römischen Reichs deut­scher Nation, so schrumpft der Umfang des heutigen Deutsch­land gegen das, was zu Ausgang des Mittelalters Deutschland war, auf die Hälfte zusammen. Dabei aber lassen wir diejenigen Gebiete, die am Ende des XIV. und zu Beginn des XV. Jahr­hunderts nur noch ganz lose mit dem Reich zusammenhingen und national zu Frankreich und Italien gehörten, wie die Frei­grafschaft Burgund, die Herzogtümer Savoyen, Mailand, Man­tua, Verona usw. außer Betracht, und beschränken uns erstens