EINFUHRUNG
Dombibliothek und Athenäum
Die ältesten heute noch in Bremen aufbewahrten Handschriften der ehemaligen Dombibliothek stammen aus einer Schenkung Erzbischof Hartwigs L (1148-1168). Hartwig stattete die nach dem Brand von 1041 und einer möglichen, in den historischen Quellen aber nicht belegten Beschlagnahmung wertvoller Manuskripte durch Heinrich den Löwen in den fünfziger Jahren des 12. Jahrhunderts 1 zweifellos sehr dezimierte Bibliothek mit 26 zum Teil mehrbändigen Handschriften aus 2 . Auffallend ist, daß rund ein Drittel der in ihnen enthaltenen Texte zum Zeitpunkt der Niederschrift erst wenige Jahre oder Jahrzehnte alt waren, so das Decretum Gratiani, die Kommentare des Scholastikers Petrus Lombardus zum Psalter und zu den Paulus-Briefen und dessen - heute verlorenen - Sentenzenbücher. Die ältere Forschung ging davon aus, daß die Manuskripte zum überwiegenden Teil im Skriptorium des Bremer Doms entstanden seien. Diese Annahme bestätigen aber weder der Inhalt der Bände noch jüngere stilkritische Analysen des Buchschmucks, da einige der Bände höchst aufwendig mit historisierten oder Spaltleisteninitialen im sogenannten Channel style' dekoriert sind 3 .
Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts sind, wenn wir von Schenkungsvermerken in einigen Handschriften absehen, keine weiteren Nachrichten über das Schicksal der Dombibliothek überliefert. Und auch diese Quellen fließen nur sehr spärlich. Ein Band mit den ,Moralia in lob' Papst Gregors des Großen gelangte über Heinrich von Geismar und Heinrich Toke in die Bibliothek 4 , aus dem Vorbesitz des Dompropstes Johannes Rode stammt ein Sentenzenkommentar des Richardus de Mediavilla 5 , und der Domkanoniker und Stiftspropst von St. Willehadi Johannes de Vockenbeke war der frühere Besitzer zweier Bände mit dem Text des Digestum vetus und der Institutionen des Kaisers Justinian 6 . Demzufolge kann über den Umfang der Dombibliothek am Ende des Mittelalters nur spekuliert werden. Bernhard
1 Vgl. B. Bruch, Die alte Bremer Dombibliothek. Ihre Geschichte und die hochromanische Buchmalerei in Bremen; in: Philobiblon 4 (1960), 292-353, hier 294-296.
2 Eine Liste der von ihm gestifteten Bände findet sich auf der letzten Seite der 1166 datierten, reich verzierten Abschrift des Psalmenkommentars von Petrus Lombardus, des sogenannten Großen Lombardus-Psalters, msa 0244, 263 v (Druck vgl. Facsimiles of Ancient Manuscripts, etc. Series 1.2, London 1908, Plate 188 (mit Abb.); ebenso Bruch (vgl. Anm. 1), 299 f.).
3 Heute befinden sich in der SuUB Bremen aus Hartwigs Bücherstiftung die Manuskripte msa 0142, msa 0145, msa 0146, msa 0165 und msa 0244, von denen nur msa 0165 über keinen erwähnenswerten Buchschmuck verfügt. Ob msa 0134 ebenfalls als Geschenk Hartwigs gelten darf, ist fraglich, da der Band in der oben erwähnten Liste (vgl. Anm. 1) nicht aufgeführt wird.
4 Vgl. Bremen msa 0144, V.
5 Vgl. Bremen msa 0149, V.
6 Vgl. Bremen msa 0148, 99 v ; msa 0172, 215 r .
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