Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1906)
Entstehung
Seite
774
Einzelbild herunterladen
 

774

l)r. L. Sander und Dr. Hennig.

Rasse, Körperkonstitution usw. sind hierbei von bedeutendem Einfluß. Bei manchen Kranken treten die Krankheitserscheinungen so stürmisch auf, daß die Tiere bereits am zweiten oder dritten Tage erliegen.

In den selteneren Fällen, wo die Krankheit in Genesung übergeht, pflegen die Symptome weniger heftig aufzutreten. Das gleiche ist der Fall beim Steppen- vieli, welches viel milder erkrankt als die gewöhnliche Rinderrasse. Auch beim Schaf und bei der Ziege ist der Verlauf ein milder, ebenso, wie die Ansteckungs­fähigkeit bei diesen Tieren eine geringere ist.

Zuerst wurde die Rinderpest bei Schafen und Ziegen in Rußland be­obachtet und von Geusen beschrieben. Wenn auch die Krankheit bei diesen Tieren weniger bösartig verläuft, so sind die Krankheitserscheinungen doch dieselben: Appetitlosigkeit, gelbe Flecken am Zahnfleisch, Erosionen, Rötung der Darmschleim­haut, erschwertes Atmen, durchfällige, selten aber blutige Exkremente. Die Seuche tritt stets zuerst beim Rinde auf, erst in zweiter Linie erkranken Schafe und Ziegen.

Diagnose und Differentialdiagnose.

Die Diagnose bei Lebzeiten ist bedeutenden Schwierigkeiten unterworfen, denn es gibt unter der großen Anzahl der Krankheitserscheinungen keine für die Rinderpest charakteristischen. Unter den Symptomen findet sich nämlich kein ein­ziges, welches nicht auch bei anderen Krankheiten Vorkommen kann. Dasselbe gilt auch bezüglich der Sektionsergebnisse. Anders dagegen gestaltet es sich, wenn die Krankheitserscheinungen in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden, wenngleich zur Auffassung der Eigentümlichkeiten bei den Gesamterscheinungen immer noch ein in den übrigen Rindviehkrankheiten schon geübtes Auge gehört. Es können einzelne der angeführten Symptome fehlen, der Totaleindruck der Krank­heit bleibt doch derselbe.

Liegt nun der Verdacht auf das Vorhandensein der Rinderpest vor, so müssen außer den Symptomen auch die anderweiten Umstände und Verhältnisse Berücksichtigung finden, welche zur Erkennung der Krankheit beitragen können. So ist z. B. der Nachweis oder die Möglichkeit einer Ansteckung von der allergrößten Bedeutung.

Jedenfalls empfiehlt es sich, zunächst den seuchenartigen Verlauf ab­zuwarten und dann bei Stellung der Diagnose den Symptomenkomplex, den Sektionsbefund, den Seuchenver 1 auf und die Anamnese zusammen zu berücksichtigen.

Ähnliche Erscheinungen, wie bei der Rinderpest, kommen noch bei folgenden Krankheiten vor:

1. Bösartiges Katarrhalfieber.

Ähnlichkeiten: seuchenhaftes Auftreten, akuter Verlauf, Gastroenteritis, Con­junctivitis.

Verschiedenheiten: Lokalisiert sich vorwiegend an den Schleimhäuten des Kopfes. Trübung der Cornea mit Erblindung; Nasenausfluß gelb, fadenziehend; Atmung schniebend; Durchfall nicht häufig. Fehlen der Lähmung des Afters. Kontagiosität gering.

2. Ruhr tritt gleichfalls akut und seuclienhaft auf, doch ist hier nur der Digestionsapparat erkrankt, wobei die Exkremente spritzend abgesetzt werden. Schleimhäute des Kopfes und der Vagina intakt. Bei der Sektion nur hämor­rhagische Gastroenteritis.