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Uber die richterlichen Befugnisse der Notabeinräte s. weiter unten.
B. Organisation der Gerichte in Kuang-tscheou-wan.
Die geringe europäische Bevölkerung und die geringen zur Verfügung stehenden Mittel haben auch in Kuang-tscheou-wan dazu geführt, den Verwaltungsbeamten weitgehende richterliche Funktion zu übertragen, so daß auch hier von einer Trennung von Justiz und Verwaltung keine Kede ist.
I. Gerichte für Europäer (europäische Richter, französisches Recht). Die französische Rechtsprechung, ausgeübt durch den Administrateur adjoint als Einzelrichter, der bei Abwesenheit und sonstiger Verhinderung durch den Verwaltungschef oder einem von diesem bezeichneten Zivilbeamten vertreten ist, greift Platz in allen Straf- und Zivilsachen, in denen ein Franzose, ein Europäer oder diesem gleichstehender Ausländer oder ein französischer Untertan oder Schutzgenosse Partei oder angeklagt ist. In Strafsachen ist seine Zuständigkeit beschränkt durch die Bestimmung, daß für alle Verbrechen (crimes) der vorstehend aufgeführten Personen der Kriminalgerichtshof in Hanoi zuständig ist. Für das Verfahren und die anzuwendenden Gesetze gelten dieselben Bestimmungen wie unter gleichen Parteiverhältnissen in Cochinchina, also im wesentlichen die in Frankreich geltenden Bestimmungen mit den durch die lokalen Verhältnisse gebotenen Abänderungen.
Berufung ist gegeben gegen Urteile des Administrateur adjoint; sie geht an das Appellationsgericht in Hanoi (Cochinchina). Für die Einlegung der Berufung gelten die durch die Dekrete v. 17. 5. 1895 und 12. 7. 1897 festgesetzten Fristen und Bedingungen. Für die Verhandlungen vor dem Berufungsgericht bedarf es einer Anwesenheit der Parteien nicht.
Dem Administrateur adjoint als Richter steht ein Gerichts- schreiber und ein Gerichtsvollzieher zur Seite, der vom Verwaltungschef ernannt wird. Der Gerichtsschreiber versieht gleichzeitig die Funktion eines Notars und eines vereidigten Taxators.