leicht wird sogar die Gefahr zu bedenken sein, daß im Übereifer — die Geschichte hat Beispiele hierfür — mit jenen abgestorbenen Formen auch die höheren Werte abgestoßen werden, uud dann ein kritisches Vakuum eintritt. Das deutlichste unter allen Anzeichen einer inneren Wandlung im ^lnnesenlnm ist da5 berühmte Edikt vom 2. September das den bei weitem wichtigsten Akt in der gesamten chinesischen Reform tätigteit darstellt, wichtiger als alle Neubildungen von Ministerien, ja wichtiger als die geplanten uud versuchten Verfassungsänderungen. Es ist das Edikt, das die Beseitigung des seit der Han-Zeit bestehenden staatlichen literarischen Prüfnngssystems anordnete. Diese Maßregel ist nicht etwa eine bloße Umformung des Unterrichtswesens, sondern ihre Bedeutung reicht viel weiter. Bisher war die orthodox-konfuzianische Bildung der alleinige Maßstab gewesen, mit dem der Staat die geistigen Fähigkeiten, ja den ganzen intellektuellen und sittlichen Wert seiner Bürger maß. Gerade diese Bildung und ihre Organisation in dem Prüfungsfystem waren, gegen die Absichten ihrer Begründer, das Mittel geworden, wodurch das chinesische Geistesleben seine starre Schablone erhielt. Diesen Maßstab zerbrach man jetzt, und indem die modernen Wissenschaften nicht bloß der alten Bildung als gleichwertig zur Seite gestellt wurden, sondern sogar tatsächlich den Vorrang vor ihr erhielten, wurde die Intelligenz der Gesamtheit in die unbegrenzten leiten einer freieren Bethätigung entlassen. „Das Prü- fnngssystein steht den neuen Schuleu im Wege," heißt es einerseits in dem Edikt, ,,nnd verhindert die Entwicklung der allgemeinen Fähigkeiten." Ans der anderen Seite aber wird in einer Tenlschrift bestimmt, daß „in den ^clmlen aller i^rade, nnd in den Hochschulen ganz besonders, sämtliche Fächer der alten einheimischen Wissen
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