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Deutsche Kulturaufgaben in China : Beiträge zur Erkenntnis nationaler Verantwortlichkeit / hrsg. von Paul Rohrbach
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Wandlungen im chinesischen Geistesleben

Dr. O. Franke, Professor am Hamburgischen Kolonialinstilut'.

Meine Damen und Herren! Auf dem übernationalen Orientalisten-Kongresse zu Hamburg im Jahre 1902 konnte ich einige Mitteilungen machen nl'er die wichtigste:: chinesischen Reformschriften des 19. Jahrhunderts. Bei Besprechung dieser Literatur äußerte ich die Auffassung, daß man in der chinesischen Reformbewegung, die am Ausgang des vorigen Jahr­hunderte ihren Anfang nahm, wohl etwas mehr sehen müsse als eine bloße kurze politische Welle; daß diese Bewegung vielmehr nur einen Teil bilde von einem weit größeren weltgeschichtlichen Vorgange, eine Äußerung nämlich der geistigen Strömung, die jetzt fast durch alle alten asiatischen Kultur- und Staatengebilde gehe, und deren Pestreben im instinktiven Selbsterhaltungstriebe da­hin ziele, einen Ausgleich mit der andrängenden westlichen Kultur zu schaffe::, soweit eiu solcher notwendig und mög­lich sei. Heute sind solche Äußerungen Binsenwahrheiten, aber damals waren sie es nicht. In den verflossenen acht Jahren ist die Entwicklung um ein gewaltiges Stück vor­wärtsgeschritten; die Ereignisse in der Türkei, in Persien, in Indien, in China, in Japan sind beredte Zeugnisse dafür. Auf die Ursachen dieses Werdeganges näher einzugehen, ist hier nicht die Zeit. Das Emporkommen der japanischen Macht, insbesondere der Krieg von 1904/05 waren sicher­lich wichtige bestimmende Momente hierbei, aber keines­wegs die einzigen. Was China anbetrifft, so hat die Ent­wicklung Japans hier schon wegen der räumlichen Nähe naturgemäß besonders stark gewirkt, aber der alleinige Faktor war sie auch nicht. Sie ist eigentlich nur eine Art

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