Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1906)
Entstehung
Seite
776
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Dr. L. Sander und Dr. Hennig.

Später wurden dem Serum noch geringe Mengen nicht mehr als 0,5 % virulenten Blutes zugesetzt. Doch wurde auch hierdurch ein sicherer Schutz nicht erreicht, Versuche haben ergeben, daß eine Heilung rinderpestkranker Tiere durch Serum-Behandlung nur dann zu erwarten ist, wenn dieselbe frühzeitig einsetzt: das Serum, dessen Dosis auf 5080 ccm zu bemessen ist, muß innerhalb der ersten drei Tage nach Eintritt des Fiebers den kranken Tieren injiziert werden. Am besten ist es hierbei, die ganze Dosis auf einmal zu geben; das injizierte Serum wird ohne irgend welche Störungen bald resorbiert. Die Versuche ergaben einen Heilungsprozentsatz von 59%, nach natürlicher Infektion.

Einen großen Fortschritt bedeutete es, als nach dem Verfahren Kolles (Simultanmethode) durch gleichzeitige Einspritzung von hochinfektiösem Rinder­pestblut und von hochimmunisiertem Rinderpestserum auf beiden Halsseiten über eine Million Rinder in Südafrika dauernd seuchenfrei gemacht wurden. Doch haftet dieser Methode der Übelstand an, daß es einer Zeit von mindestens zwei bis drei Monaten bedarf, ehe ein Tier zur Lieferung von Serum vorbereitet ist.

Das einfachste Verfahren, welches den großen Vorzug der sofortigen Anwend­barkeit besizt, hat wiederum Koch empfohlen: es ist die Gallenimpfung. Die­selbe kann überall sofort einsetzen, wo Rindvieh an Rinderpest erkrankt ist. Schon hierdurch wird die Gallenimpfung unter vielen Verhältnissen, namentlich in den Kolonien, trotz der Vorzüge der KoLLEschen Simultanmethode unentbehrlich sein.

Die zur Schutzimpfung zu verwendende Galle wird am besten gewonnen, indem man die Gallenblase im Zusammenhang mit der Leber von verendeten oder frisch getöteten, rinderpestkranken Tieren aus den Kadavern herausschneidet und dann sofort die Galle durch einen mit einem aseptischen Messer an dem Fundus der Blase angebrachten Einschnitt direkt in einem bereit gehaltenen reinen Glas­gefäß auffängt. Die Galle muß dann möglichst bald zur Impfung benutzt werden. Nicht jede irgendwie beschaffene Galle ist jedoch zur Schutzimpfung geeignet, sondern nur solche, welche klar, frei von Schleim, Blut und Bakterien ist.

Die Annahme Kochs, daß nur dunkelgrün gefärbte Galle brauchbar ist, dürfte nicht aufrecht zu erhalten sein, denn auch dunkelgrün gefärbte nimmt nach ganz kurzer Zeit bald eine gelbe, bald braune Farbe an. Nach Rickmahn sind auch gelbe und braune Gallen, mit gleicher Wirkung wie die dunkelgrünen, zu verwenden, wenn dieselben nur obige Beschaffenheit haben. 1 ) Tatsächlich sind überhaupt alle Gallen, die nicht übel riechen oder nicht völlig rot von hinein gelangtem Blute sind, zur Immunisierung tauglich (Kolle und Turner 2 ).

Eine möglichste Verwendung der verfügbaren Gallen ist von sehr großer Wichtigkeit, da sonst durch eine zu geringe Gallengewinnung die ganze Impfung in Frage gestellt werden kann.

Die Impfung selbst wird derart ausgeführt, daß 10 ccm Galle von obiger Beschaffenheit einem Rinde in die herabhängende Haut des Halses (Wamme) ein­gespritzt werden. Die sich an der Impfstelle bildende Impfgeschwulst geht in den meisten Fällen vollständig zurück. Mitunter tritt Eiterung ein, welche jedoch keine Bedeutung hat; es erfolgt nach Inzision des Abszesses binnen kurzem Heilung.

Trotz aller Vorsichtsmaßregeln tritt jedoch nicht gerade selten nach Ver­impfung der Galle schwere und tödlich verlaufende Pestinfektion ein. So geben Kolle und Turner 3 ) diese Impfverluste auf 3,7 %, russische und französische Autoren jedoch erheblich höher an. Edington setzte der Galle Glyzerin zu und

b Berl. tierärztl. Wochenschrift. 1899. p. 306.

2 ) Deutsche med. Wochenschrift. 1898. p. 795.

3 ) Berl. tierärztl. Wochenschrift. 1905. Nr. 5.