Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1906)
Entstehung
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Tropische und subtropische Viehseuchen.

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namentlich an den Herzohren, und unter dein Endocard findet man Ecchymosen: letzteres ist außerdem blutig imbibiert.

Die Veränderungen im Gehirn und Rückenmark sind unbeständig. Diese Organe und deren Häute zeigen starke Hyperämie; mitunter findet man auch Transsudationen in den Gehirnkammern und unter der Arachnoidea.

Die pathologisch-anatomischen Veränderungen treten nach dem Vor­stehenden also namentlich an der Schleimhaut der Verdauungswege in Erscheinung, und müssen diese Veränderungen auch als Hauptmerkmal der Rinder­pest angesehen werden. Je nach der Entwicklungsstufe, auf welcher sich die Krank­heit zur Zeit des letalen Ausganges befindet insbesondere, wenn die Tiere vorher getötet werden sind die anatomischen Veränderungen nicht immer in derselben Intensität vorhanden, und wechseln daher ungemein. Immer aber muß beachtet werden, daß der pathologisch-anatomische Befund allein nicht dazu be­rechtigt, die Diagnose Rinderpest als unbedingt sicher hinzustellen.

Ätiologie.

Bei der Rinderpest sind früher vielerlei Bakterien als Ursache angesprochen worden, so nahm Semmer anfangs an, daß Kokken die mutmaßliche Ursache seien, später hielt er Protozoen dafür. Andere Forscher (Kostitschew, Sowaljeff) glaubten in Bacillen den Erreger gefunden zu haben; Kolesnikow sprach sporen­haltige Bacillen und Spirillen als Ursache an, während Gamaleia und Metschnikoff annahmen, ovoide Bacillen wären die Erreger der Rinderpest.

Koch konstatierte jedoch, daß alle Versuche fehlschlugen, mit Hilfe des Mikro­skops oder durch Kulturverfahren einen spezifischen Mikroorganismus im Blute usw. rinderpestkranker Tiere nachzuweisen.

Die Eintrittsstelle des Infektionsstoffes in den Tierkörper erfolgt durch den Respirations- oder Digestionsapparat. Das Virus gelangt in das Blut, vermehrt sich wahrscheinlich dort und veranlaßt die allgemeine Infektion, welche sich dann durch die schweren Veränderungen, namentlich der Respirations- und Digestions­apparate, kennzeichnet.

Der Infektionsstoff ist fix und flüchtig.

Zu seiner Entwicklung scheint er nur sehr kurzer Zeit zu bedürfen, denn Tiere, welche äußerlich noch gesund erscheinen, sind bereits imstande, die Krankheit durch Ansteckung weiter zu verbreiten. Dabei müssen sämtliche Teile, die von den Tieren stammen, wie die Se- und Exkrete, selbst die ausgeatmete Luft, oder aber alle Teile, welche mit den Tieren in Berührung standen, als Träger der In­fektion angesehen werden. Es erfolgt nämlich die Ansteckung entweder direkt durch Berührung mit den kranken Tieren, oder aber indirekt durch Zwischen­träger wie Dünger, Stroh, Erde, Personen oder andere Tierarten usw.

Während man früher annahm, daß das Kontagium bis auf 800 m ansteckungs­fähig ist, so ist doch auch der von Gerlach angenommeneinfektionsfähige Dunst­kreis 4: von 25 m entschieden zu groß. Vielmehr ist es für das Rinderpestkontagium charakteristisch, daß eine Ansteckung nur auf eine ganz kurze Entfernung hin möglich ist, jedenfalls auf nur wenige, etwa zwei bis drei Meter. Denn schon durch einen Graben, mit dem die kranken Tiere von den gesunden geschieden worden, wird sehr oft eine Ansteckung verhindert.

Über die Zeitdauer, innerhalb welcher das Kontagium seine Keimkraft be­wahrt, sind die Meinungen verschieden. Jessen beobachtete den Wiederausbruch der Rinderpest in Rußland in Ställen, welche ein Jahr lang leer gestanden hatten. Auch sollen Kadaverreste, die nach 19 Jahren (!) ausgegraben wurden, den Aus-

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