von dem Abendlande, denn an Sittlichkeit, an Lebensweisheit könne der Westen nichts geben, was man im Konfuzianismns nicht besser hätte. Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit dieser Gedantcngang der wirklichen Überzeugung der jungen Reformatoren entsprach, und wie weit er etwa den herrschenden Anschauungen des Landes in kluger Weise Rechnung trug, nur um sich zunächst überhaupt Gehör verschaffen und zur Geltung briugen zu können. Sicher ist jedenfalls, daß die chinesische Fiktion — oder vielleicht ist es ehrliche Überzeugung - bis heute lneran festgehalten hat: auch heute will man in (ilnna nicht ein Teilchen des konfuzianischen Geistes opseru, sondern nnr die Technik im weitesten Sinne deo Wortes — vom Abendlande erwerben. Die wenigen, die in tieferer Erkenntnis der wirkenden Kräfte in der abendländischen >Ulltnr sich einer anderen Auffassung zuneigen, kommen gegen die Allgemeinheit nicht auf. Die Schlüsse der Reformatoren aus dem Wesen des alten Konfuzianismns halten einer wirklich wissenschaftlichen Kritik natürlich nicht stand. Gefälscht im einzelnen mag man die konfuzianische Lehre durch die Scholastik der Tang- uud Sung-Zcit nennen — obwohl der Ausdruck fast zu hart erscheint —, aber niemals kann der alte konfuzianische Staatsgedanke deu moderneu Rechts- und Verfassungs- stmit ergeben, wie die Reformatoren anderen und vielleicht sich selbst einreden wollen. Was er ergibt, kann immer nnr der universale Weltkircheustaat sein, der schon unter der Tschou Tvnastie (12.—3. Jahrhundert v. Chr.) sich zur Geltung zu dringen suchte, und dessen UnHaltbarkeit eben die Geschichte dargetan hat. Es ist aber ein ungcmein wichtiges Charakteristikum der gauzen chinesischen Reformtätigkeit bis auf den heutigen Tag, namentlich der politischen, daß sie sich fortgesetzt bemüht, alle Neuerungen und
Rohrbach, Deutsche Kulturausgaben in China 2
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