Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1906)
Entstehung
Seite
638
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Dr. C. Mense.

vor dem Tode. Die von der portugiesischen Kommission berichteten Otorrhöen beruhen wohl nur auf Eiterinfektion. Coryza und Epistaxis sind eine seltene und zufällige Erscheinung. Die Untersuchung des Augenhintergrundes ist bei Schwerkranken kaum mög­lich. Die portugiesische Kommission fand bei ihren ophthalmoskopischen Beobach­tungen nie eine der Meningitis entsprechende Stauungspapille, sondern nur eine pralle Fül­lung der Netzhautvenen. Divergenz der Augenachsen kommt im letzten Stadium nicht selten vor. Erst bei weit vorgeschrittener Krankheit verengt sich die Iris bei Lichteinfall nicht mehr, sondern bleibt nach einigen Zuckungen erweitert. Selten sind die Pupillen in den letzten Lebenstagen dauernd kontrahiert. Der Konjunktivalreflex bleibt in den meisten Fällen bis zum Endstadium erhalten. Die portugiesische Kommission fand ihn einmal 17 Tage vor dem Tode schon erloschen und eine infolge von Lagoph- thalmus entstehende Hypopyonkeratitis. Ich sah Konjunktivitis und Keratitis schon früher und muß annahmen, daß der reflektorische Lidschluß schon früher versagt bzw. die Empfindlichkeit der Augenbindehaut, ebenso wie die übrigen nervösen Symptome, Schwankungen unterworfen ist.

Maxwell will schon im frühesten Stadium eine charakteristische Heiserkeit mit auffallend veränderter Klangfarbe der Stimme wahrgenommen haben.

Das dem Laien am meisten auffallende Symptom von seiten des Zentralnerven­systems, die allmählich in Lethargie und Coma übergehende Schlafsucht, ist nicht in allen Fällen gleich ansgeprägt vorhanden, kann sogar ganz fehlen. So be­obachteten Dutton, Todd und Christy am Kongo schwere Fälle, welche bis zum tödlichen Ende ganz ohne Schlafsucht verliefen. Auch der erste von Dutton am Gambia beobachtete Fall von tödlicher Trypanose bei einem Europäer ist hierher zu rechnen.

Besonders Christy sah am Kongo einen außerordentlichen Wechsel des Krankheits­bildes, in Leopoldville vermißte er sogar in der Mehrzahl der Fälle die ausgeprägte Schlafsucht und fand an ihrer Stelle oft nur Stumpfsinn und Apathie, in anderen Fällen ein starkes Hervortreten nervöser Symptome, sehr heftige Kopfschmerzen, Krämpfe und maniakalische Anfälle, manchmal sogar als einziges Symptom nur Fieber und Abmagerung. Er stellt nach der Schwere der Krankheitserscheinungen einen Typus A, B und C auf und unterscheidet bei C tödlich verlaufende Fälle mit und ohne Schlafsucht. Verf. sah in derselben Gegend Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts nur Fälle mit schwerer Schlafsucht. Der Unterschied erklärt sich leicht, wenn man bedenkt, daß Christy unter der Bevölkerung mit den verschiedensten Krankheiten behaftete und selbst anscheinend gesunde Menschen auf Trypanosomen untersuchte und nach dem Be­funde die Diagnose stellte, während früher nur die typischen Fälle dem Arzte zugeführt bzw. von ihm gefunden wurden.

In einzelnen Fällen, auch bei Weißen, treten manchmal im Anschluß an die Fieberanfälle Erregungszustände mit zwei- bis dreitägiger Schlaflosigkeit auf.

Bei der großen Mehrzahl der Fälle jedoch wird die Schlafsucht wenigstens in den letzten Lebenstagen nicht vermißt. Sie beginnt mit leichter Benommenheit, welche sich nach und nach zu Schläfrigkeit steigert und anfangs noch durch die Willenskraft des Kranken oder den aufmunternden Einfluß seiner Umgebung über­wunden werden kann. Tage und Wochen größerer Frische können sich dazwischen schieben, endlich aber wirkt die Schlaftrunkenheit unwiderstehlich und der Schlaf wird nur durch Augenblicke eines traumhaften halbwachen Zustandes unterbrochen.

Im letzten Stadium kommen nicht selten Anfälle von schwerem Coma vor, welche den nahenden Tod anzukündigen scheinen, aber nach ein- oder mehrtägiger Dauer einer vorübergehenden Besserung weichen können. Das bei anderen Hirn­hautentzündungen beobachtete eigentümliche Aufschreien wird bei Schlafkrank­heit nicht beobachtet.

Das selten fehlende Muskelzittern wird nicht selten von Schwindel­gefühl eingeleitet, diese Empfindung besonders kann jedoch auch selbständig auf-