Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1906)
Entstehung
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637
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Die menschliche Trypanosomenkrankheit und afrikanische Schlafkrankheit. 637

Fieber.On dirait que les centres thermiques sont atteints dune espece de folie. Dieser Ausspruch Willems charakterisiert am besten die Fieberbewegung, bei welcher völlige Regellosigkeit die Regel ist.

Schon bei den wenigen frühzeitig als solchen erkannten Anfällen von Try­panosomenfieber bei Europäern ist das Fehlen eines bestimmten Fiebertypus aufge­fallen (Dutton, Forde, Manson, Daniels, Broden). Ein initialer Schüttel­frost fehlt meistens, auch Schweißausbruch am Ende des Anfalls. Der Fieberanfall hängt sehr oft mit stärkerem Auftreten von Trypanosomen im Blute zusammen, die Vermehrung der Parasiten kann aber auch ausbleiben. Bald tritt ein ein- oder mehrtägiges kontinuierliches Fieber bis zu 40° und mehr in Abständen von 710 fieberfreien Tagen auf, bald ist die Temperatur wochen- und monatelang nie ganz normal, ohne sich aber auch nur zu einem Fieber von mittlerer Höhe zu erheben, noch häufiger besteht lange Zeit hindurch ein unregelmäßiges remittieren­des Fieber. Nicht selten treten einige Tage lang leichte febrile Bewegungen in den Abendstunden auf, um während der Nacht zu einer normalen Morgentemperatur abzufallen, dann folgen wieder vollkommen fieberfreie, aber ganz ungleichmäßig lange Perioden.

In den letzten Lebenstagen wird nicht selten eine Erhebung der Körper­temperatur auf 40° und mehr gefunden oder häufiger ein Sinken tief unter die Norm, meistens zeigt das Thermometer im Augenblicke des Exitus eine Mastdarmtemperatur von etwa 35°. Die portugiesische Kommission konnte bei einem Einge­borenen von Angola ein allmähliches Sinken der Temperatur bis auf 25° C im Rektum 48 Stunden vor dem Tode messen.

Im allgemeinen werden vor dem Eindringen der Parasiten in die Cerebro- spinalflüssigkeit selten Temperaturen von 39° erreicht, und die Remissionen und Intermissionen gehen in diesem Stadium tiefer hinab als im zweiten (Dutton und Todd).

Die Atmung ist in der Regel beschleunigt, die Zahl der Atemzüge beträgt 2530 in der Minute und wird durch die Schwankungen der Temperatur nicht be­sonders beeinflußt. Das CiiEYNE-STOKEssche Phänomen wird häufig beobachtet.

Die lauge Zeit hindurch intakt bleibenden Lungen sind im Endstadium meistens infolge der Kokkeninvasion (s. o.) Katarrhen, Ödemen und Pneumonien ausgesetzt. Die Entstehung von bronchopneumonischen Herden ist nicht immer von Fieber be­gleitet, sondern nicht selten von Hypothermie.

Nervensystem und Sinnes Werkzeuge. Alle Erscheinungen sowie der Obduktionsbefund weisen darauf hin, daß die wichtigsten Veränderungen im zweiten Stadium ihren Sitz im Zentralnervensystem haben.

Im Gebiete der Hirnnerven äußern sich die auffälligsten Störungen in Gestalt der oft, aber nicht immer und verschieden stark auftretenden Ptosis der oberen Augenlider, sowie durch den selten vermißten fibrillären Tremor der Zunge.

In einigen Fällen ist im Laufe der Krankheit eine vorübergehende Chorioiditis, Cyclitis, Iritis und Neuritis optica festgestellt worden, so von Manson, Tbeacher Collino und Tweedy bei einer Europäerin, welche leicht auch als Chininwirkung gedeutet werden könnte. Häufiger kommt es vor, daß intelligente Kranke über Ver­schleierung des Gesichtsfeldes, leichte Ermüdung der Augen beim Lesen oder Tanzen der Buchstaben oder sonstiger fixierter kleiner Gegenstände klagen.

Die Pupillen reagieren während des größten Teiles des Krankheitsverlaufes gleich­mäßig und normal, nur Willems sah schon früh Ungleichheit bei einem Europäer.

Das KERXiGsche und BABixsKYsche Phänomen ist bisher nicht beobachtet worden, das RojiBERGsche nicht oft, weniger selten das ARGYLL-RoBERTSOxsche.

Geruch und Geschmack leiden erst mit dem Sinken der Empfänglichkeit für äußere Reize überhaupt, auch das Gehör bleibt bis weit in das Endstadium hinein intakt. Mir antwortete ein ganz schlummersüchtiger Kranker auf Anruf noch wenige Stunden