Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1906)
Entstehung
Seite
632
Einzelbild herunterladen
 

632

Dr. C. Mense.

Die Gleichförmigkeit des Krankheitsbildes, welche beim jugendlichen Kranken größer ist als beim Erwachsenen, beim Neger größer als beim Weisen, kann nicht nur durch Tage und Wochen anscheinender, oft den Erfolg eines Medikamentes vortäuschender Besserung unterbrochen werden, sondern auch durch epileptiforme Anfälle, durch krampfhaftes Lachen und Weinen und durch Anwandlungen von auf­fallender Geschwätzigkeit. Halluzinationen verschiedener Art können zu Wahnideen, impulsiven Handlungen, zu Mord- und Selbstmordversuchen führen und den Kranken vor den Richter bringen.

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle geht der Lauf der Krankheit jedoch ziemlich gleichmäßig dem unvermeidlichen Ende zu. Nach und nach beginnt auch die Ernährung zu leiden, der anfangs gute Appetit läßt nach, die Verdauung wird unregelmäßig. Die spontane Nahrungsaufnahme wird infolge der immer seltener ununterbrochenen Somnolenz schlechter. Nur auf Anruf oder Rütteln erwacht der Kranke, stiert glotzäugig den Störer an, wobei die beginnende Ptosis der oberen Augenlider auffällt, öffnet den Mund, um die dargereichte Speise entgegenzunehmen, aber mit dem Bissen im Munde hört er bereits wieder auf zu kauen. (Vgl. Fig. 10.) Starke Abmagerung bleibt nicht aus, zum Tremor gesellt sich eine zunehmende Muskelschwäche, manchmal auch Kontrakturen einzelner Muskeln, so daß der Gang und selbst aufrechtes Stehen ohne Unterstützung unmöglich wird. Auch der in tiefem Schlafe liegende Körper kaun klonische und tonische Krämpfe, choreaartige Zuckungen zeigen.

Die Sensibilität ist herabgesetzt, aber nicht erloschen, aber die Abwehr­bewegungen gegen Fliegen und Mücken und die Kratzbewegungen werden immer weniger, bis endlich im Endstadium der Kranke fast regungslos in äußerster Hilf­losigkeit auf dem Bauch oder auf der Seite liegt, knieend oder hockend den Kopf vornüberhängen läßt oder seitlicli an die Hüttenwand stützt.

Die große Mehrzahl der Kranken, welche nicht in europäische Wartung und Pflege kommt, gewährt, sich selbst überlassen und von der Umgebung gemieden, in diesem Zustand ein jammervolles Bild. Die Augen sind fast völlig verklebt, die Nasenlöcher durch ausfließenden und angetrockneten Schleim verschlossen, die Um­gebung des Mundes mit Speichel besudelt, welcher dem übelriechenden unsauberen Munde entströmt, alle diese Stellen sind mit zahlreichen, längst nicht mehr fort­gescheuchten Fliegen besetzt. Harn wird in jeder Haltung, der Stuhl nur mehr selten entleert. Die Haut des ganzen Körpers starrt von Schmutz, und Schmutz­ekzem. Der bald am Kreuzbein, bald an den Trochanteren oder Knien sichtbare Dekubitus läßt auf die meistens eingenommene Lage schließen. (Vgl. Fig. 9.)

Unter solchen Verhältnissen ist das Endstadium nur von kurzer Dauer, es be­darf kaum einer interkurrenten Krankheit, wie stärkere Durchfälle, Pneumonie, Ruhr, um den Leidenden den letzten Stoß zu geben. Bei in guter Pflege befindlichen Kranken fehlen alle durch Verwahrlosung hervorgerufenen Nebenerscheinungen, und kleine Schwankungon im günstigen Sinne sind häutiger, so daß der tödliche Ausgang um Wochen oder Monate hinausgeschoben werden kann.

B) Die einzelnen Krankheitserscheinungen.

Das allgemeine Aussehen der Kranken schwankt von der Erscheinung eines nur an leichtem fieberhaften Unbehagen und unbedeutenden Hautaffektionen leidenden Menschen bis zum Bilde einer völlig verblödeten und gelähmten, mit Schmutz und Schmutzexanthemen bedeckten Jammergestalt.

Die Hautveränderungen sind eines der frühesten Symptome, welches nur selten vermißt, aber bei den farbigen Kranken leicht übersehen wird. Anfangs