Tropische Leberkrankheiten.
57
Diagnose.
Im allgemeinen ist es nicht besonders schwierig, einen Amöbenabszeß in der Leber zu erkennen, obschon auch Fälle Vorkommen, welche wegen des Sitzes des Abszesses und mangels besonderer Erscheinungen dunkel bleiben, bis ein Probeschnitt oder die Leichenöffnung ihre wahre Natur enthüllt. Die Krankengeschichte ist von großer Bedeutung, besonders in Bezug auf vorhergegangene Dysenterie. Das Einsetzen der Erkrankung mit bestimmt lokalisierten Schmerzen, Frostschauern, Schweiß und Sclilaflosigkeit, der Schulterschmerz und häufige Hustenanfälle legen die Annahme einer Lebererkrankung besonders bei einem Kranken nahe, welcher in den Tropen gelebt oder an Ruhr gelitten hat. Für gewöhnlich wird die physikalische Untersuchung die Frage durch den Leberbefund entscheiden: Vorwölbung der einen Seite, Zunahme der Dämpfung, Veränderungen in den auskultatorischen Erscheinungen über der Basis der rechten Lunge und örtlich begrenzte Empfindlichkeit bei Abtastung aller Stellen, wo möglicherweise ein Abszeß seinen Sitz haben könnte. Beteiligung der Lunge unter Auswerfen des charakteristischen Amöben enthaltenden Eiters machen die Diagnose so gut wie sicher. Die Stühle sollen stets auf Amöben untersucht werden, deren Auftreten für die Amöbennatur einer Leberaffektion beweiskräftig ist, während ihr Fehlen nicht so sehr ins Gewicht fällt, weil bekanntlich ausgedehnte Leberabszesse sich an die unbedeutendsten Läsionen im Colon anschließen können.
Die meisten Autoren empfehlen in zweifelhaften Fällen die Probepunktion der Leber mit einer langen Aspirationsnadel. Manson tritt mit besonderem Nachdruck für diesen Eingriff ein, dessen Gefahren er bei richtiger Ausführung für minimal hält.
M. empfiehlt sorgfältige Inspektion und Palpation zwecks Auffindung einer Stelle, wo der Abszeß, aus der äußersten Empfindlichkeit oder etwaiger Fluktuation zu schließen, der Haut am nächsten liegt. Dort wird der Probestich gemacht. Wenn nach dieser Richtung kein deutliches Anzeichen entdeckt werden kann, so sticht man in der Axillarlinie im achten oder neunten Zwischenrippenraum gerade unter dem Ansatz des Zwerchfells ein, um die Pleura nicht zu verletzen. Wenn die erste Punktion keinen Eiter zutage fördert, so wiederholt man sie. Die Nadel soll tief in die Leber eingestochen werden und beim Zurückziehen stets ein hinreichender leerer Raum in der Aspirationsspritze bereitgehalten werden für den Fall, daß die Spitze der Nadel durch und über den Abszeß hinaus in gesundes Gewebe eingedrungen sein sollte. Es gelingt meistens durch eine solche Punktion Eiter nachzuweisen, wenn auch in einigen Fällen der Eiter, auch wenn die Nadel in die Abszeßhöhle eingedrungen ist, zu dick und zähe ist, um in die Spitze auszufließen. Wenn die Nadel in die Leber eingedrungen ist, so erkennt man leicht an ihrer Auf- und Abwärtsbewegung bei der AtmuDg, daß sie wirklich im Lebergewebe steckt.
Die Probepunktion muß natürlich unter strengster Beobachtung aber Vorschriften der Aseptik ausgeführt werden. Der Arzt muß darauf vorbereitet sein, sofort zu -weiteren operativen Eingriffen, wie Drainage des Abszesses, zu schreiten. Einige Autoren halten es sogar für weniger gewagt, die Probelaparotomie zu machen, als durch den Versuch der Aspiration von Eiter den Leberbefund sicher zu stellen.
Der Eiter ist einer mikroskopischen Untersuchung besonders auf Amöben und Bakterien zu unterwerfen, wobei man sich aber vergegenwärtigen muß, daß in aspiriertem Eiter die Amöben oft genug fehlen, obwohl sie in den von der Abszeßwand abgeschabten Massen oder in dem einige Tage nach der Eröffnung ausfließenden Eiter massenhaft vorhanden sind. Die Bestimmung des Leukocytenverhältnisses und der Nachweis von Zellresten ist ebenfalls von Bedeutung.