Tropische Leberkrankheiten.
Von
W. G. MacCallum, Baltimore. Deutsch von C. Mense.
(Mit Tafeln IV—V.)
Obgleich unter den in den Tropen vorkommenden Leberkrankheiten naturgemäß auch alle anderswo beobachteten Erkrankungen der Leber gefunden werden, so bedürfen doch nach den im warmen Klima gemachten Erfahrungen letztere keiner besonderen Besprechung. Wir beschäftigen uns deswegen im folgenden nur mit den Krankheiten, deren Vorkommen auf die warmen Länder beschränkt ist. Da von diesen Affektionen wiederum sehr viele die Folgen der Einwanderung von Parasiten oder von Läsionen an anderen Stellen des Körpers oder Teile einer Allgemeininfektion sind, so können diese einer Betrachtung in anderen Abschnitten dieses Werkes überlassen werden. Wir besprechen hier vorzugsweise nur ein wohlumschriebenes Krankheitsbild, welches durch die Amöbenruhr (siehe vorhergehendes Kapitel) sekundär entsteht, den tropischen Leberabszeß, schicken aber eine Beschreibung der sogenannten tropischen Leberentzündung oder Leberhy perämie voraus.
Die tropische Leberhyperämie, Tropenleber.
Synonyma: Tropische Leberkongestion, Indian Liver.
In Arbeiten über Tropenhygiene und Krankheiten der warmen Länder kehrt stets die Beobachtung wieder, daß die Leber von Menschen, welche aus dem gemäßigten Klima in die Tropen übersiedeln, sich mit Blut überfüllt und anschwillt und daß bestimmte Krankheitserscheinungen unmittelbar auf diese Veränderungen zurückzuführen sind. Dieselben werden oft als Hepatitis bezeichnet und als der erste Schritt oder die erste Vorbedingung zur Entwicklung eines Leberabszesses angesehen.
Sachs beschreibt diesen Zustand eingehend und vergleicht die Häufigkeit der Leberkrankheiten in heißen Gegenden mit der Häufigkeit der Krankheiten der Respirationsorgane in kälteren Gegenden und denkt geradezu an eine vikariierende Tätigkeit dieser Organe. Derselbe erklärt, daß die beständige physiologische Überlastung der Leber durch die in den Tropen übliche übertrieben reichliche Ernährung im allgemeinen und durch das Übermaß im Genüsse von Alkohol und scharf gewürzten Speisen im besonderen zu einer dauernden Hyperämie des Organes führe.