Hermann Allmers und die Altertumsforschung
I. Allgemeines
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Hermann Allmers in heutiger Sicht
Schon 1912 hat Hermann Tardel darauf hingewiesen, daß Allmers' Ehrenname „Der Marschendichter" zu einem zu engen Bilde von ihm verleiten kann 3 ). Sein erstes großes Werk, das „Marschenbuch", ist allerdings mit hohem dichterischem Schwung, aber in Prosa geschrieben. Dasselbe gilt von den meisten seiner ande= ren Schriften. Die „Dichtungen" sind heute weitgehend vergessen bis auf wenige, allerdings sehr bedeutende Ausnahmen, es sei nur an die von Johannes Brahms vertonte „Feldeinsamkeit" erinnert.
„Ein halbes Jahrhundert nach seinem Tode", schreibt Kurd Schulz 4 ), „darf man es vielleicht aussprechen, daß nicht sein dichterisches Vermögen das größte an ihm war, sondern seine Fähigkeit, durch lebendige Anregung Neues gestalten zu helfen". Zeitlebens ging sein Bemühen dahin, sich ein möglichst umfassendes Wissen anzueignen, aber nicht, um es für sich zu behalten, sondern um es wei= terzugeben. Schon 1846 sagte er: „Meinen Aufsatz über Volksbildung habe ich vorgestern zu meiner innigen Freude vollendet und von Anfang bis zu Ende die= selbe Begeisterung dabei behalten" 5 ).
Seinen „eifrigen Bemühungen gelang es, daß im November 1846 mit obrigkeit= licher Erlaubnis in Sandstedt eine Volksbibliothek gegründet ward" 6 ). Das ist erstaunlich, wenn wir bedenken, daß der eigentliche Schöpfer der Volksbücherei, Karl Preusker, erst gär nicht lange vorher seine entsprechenden Forderungen er= hoben hatte. Allmers' Sorge um Volksbildung ließe sich auch sonst mannigfach belegen. Hier sei nur hingewiesen auf seine schon 1847 geschriebene Vorrede des zehn Jahre später erschienenen Marschenbuches 7 ), auf seine Mahnung an Haeckel, nicht nur für die Gelehrten zu schreiben 8 , auf den Plan, die „Hermanns= schule" zu stiften 9 ), und auf die Wintervorträge in Sandstedt 10 ). Die „Römischen Schlendertage" weihte Allmers zwar „seinen lieben Freunden von der Römischen Colonnagesellschaft" als „Andenken an eine schöne Vergangenheit", er ver= mittelte aber damit auch denen ein Bild von der „ewigen Stadt", die keine Ge= legenheit hatten, sie selbst zu sehen. Hauptanliegen blieb ihm freilich immer die Bildung seiner Mitmenschen in der Marsch, weswegen er auch scherzweise der „Marschbildungspeter" genannt wurde 11 ).
Erziehung und erste Weiterbildung
Hermann Allmers, am 11. Februar 1821 in Rechtenfleth (im heutigen Kreis Wesermünde) auf einem ansehnlichen, seit etlichen Generationen der Familie gehörenden Marschenhof geboren, kam mit einer schweren Mißbildung des Gaumens zur Welt. Das bedingte, da er die öffentliche Schule nicht besuchen konnte, eine besondere Erziehung. Der wissensdurstige, sich sehr für Geographie und Geschichte interessierende Vater empfand mit Bedauern, daß er selbst nur die Volksschule besucht hatte 12 ). Sein einziger Sohn aus seiner zweiten Ehe mit Sophie Dorothea Biedenweg, Tochter des Pastors in Sandstedt, sollte es deshalb