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Niels Lyhne : Roman : aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann :
(Fortsetzung.)
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ünderung niit ihm vorgegangen, und mit dem nnllaren Bewußtsein, als schulde er es dieser Veränderung, seine Handschuhe zuzuknöpfen, und zwar sorgfältig.

Zu erregt von seinen Gedanken, um schlafen zu können, ging er auf den Wall hinauf. Es schien ihm, als denke er so merkwürdig ruhig, er wunderte sich über die Stille in ihm, aber er glaubte eigentlich nicht so recht daran, es war ihm, als siede es ganz leise, aber unaufhörlich in seinem Innern, als sprudle und gähre und walle es, aber weit, weit fort. Ihm war zu Mute, als warte er auf irgend etwas, das aus der Ferne kommen müsse, eine entfernte Musik, die sich nähern müsse, nach und nach, tonend, sausend, schäumend, brausend, die sich dröhnend über ihn ergießen müsse, ihn ergreife«, ohne daß er wußte wie, ihn forttragen, ohne daß er wußte wohin, kommend wie die Flut, kämpfend wie die Brandung, und dann. Aber noch war er ruhig' nur dies bebende Singen in der Ferne, sonst war alles Friede und Klarheit.

Er liebte, er sagte es sich selber laut, daß er liebe. Unzählige male. Es lag ein so wunderbarer Klang in den Worten, und sie bedeuteten so viel. Sie bedeuteten, daß er kein Gefangener aller jener phantastischen Kindheitseinflüsse wehr sei, daß er nicht länger der Spielball ziellosen Sehnens, nebelhafter Träume, daß er diesem Elfenlande entflohen sei, das mit ihm ausgewachsen war, das ihn niit hundert Armen umschlungen, ihm die Augen mit hundert Händen zugehalten hatte. Er hatte sich losgerissen aus der Macht derselben, und streckte es jetzt auch die Hände nach ihm aus, flehte es ihn auch mit stummem Blicke an, winkte es ihm auch mit seinen weißen Gewändern, seine Herrschaft war nun einmal tot, ein vom Tage getöteter Traum, ein von der Sonne zerstreuter Nebel. Denn war seine junge Liebe nicht der Tag und die Sonne und die ganze Welt? Und war er nicht bisher einherstolzirt in einem purpurnen Feier­kleide, das nicht gesponnen war, und mächtig gewesen auf einem Throne, der nicht errichtet war? Jetzt aber, jetzt stand er auf einem hohen Berge und schaute hinaus über die weiten Ebenen der Welt, einer sangesdurstigen Welt, in der er nicht vorhanden war, in der man ihn nicht ahnte, ihn nicht er­wartete. Es war ein jubelnder Gedanke, zu denken, daß kein Hauch seines Atems w dieser ganzen weiten, wachenden Unendlichkeit ein Blatt bewegt oder eine Welle gekräuselt hatte. Alles das zu gewinnen, stand ihm noch bevor. Und er wußte, daß er es konnte, er fühlte sich siegesgewiß und stark, wie es nur der kann, dessen Lieder ungesungen und schwellend in seiner Brust ruhen.

Die laue Frühlingsluft war voller Düfte, nicht so gesättigt, wie es eine Sommernacht sein kann, sondern gleichsam gestreift von dem würzigen Balsam­hauche junger Pappeln, von dem kühligen Atem später Veilchen und dem süßen Dufte der blühenden Syringen, und das alles kam und vermischte sich, ging und trennte sich und löste sich zuletzt langsam in der Nachtluft auf. Und wie Schatten von dem launenhaften Spiel des Duftes zogen luftige Stimmungen durch sein Inneres.

Grenzboten U. 1388. S<Z