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Litteratur.
Schliemanns. Die wissenschaftlichen Ergebnisse solcher Forschungsmethvde sind ihm ein geringer Trost für den Verlust stimmungsvoll von uraltem Ephcu überwachsener Ruinen. Ihn schmerzt es auch, daß sich in Rom ein Verein zu dem Zwecke gebildet hat, das Kolosseum von der Flora zu befreien, die dessen Gemäuer seit Jahrhunderten überwuchert, wenn er auch zugestehen muß, daß die Pflauzeuwurzeln hie uud da das Steingefüge gesprengt haben. Und aus der gleichen Empfindung stammt sein bekannter Protest gegen den ohne Pietät gegen klassisch poetische Gärten und Ruinen vorgenommenen „Umbau Roms," welchen dieser Band am Schlüsse in einzelnen Briefen gesammelt enthält. Gregorovius steht keineswegs auf dem Standpunkte Wilhelms v. Humboldt, der in naiv egoistischem Poesiebedürfnis Rom am liebsten ganz und gar mittelalterlich unberührt gesehen hätte. Er schließt sich rückhaltlos der neuen nationalen, antipäpstlichen Aerci in Italien an; er befürwortet deu Fortschritt, gesteht die Berechtigung der Lebenden zu, sich Raum zu schaffen; aber die Rücksichtslosigkeit und Rohheit gegen Stätten, welche die Verehrung der ganzen Welt geheiligt hat, schmerzt ihn tief. Warum hat man die Villa Ludovisi Parzellirt? Nur um eiu Geschäft zu machen. Die Bloßlegung des Forums, um einige alte Fundamente zu finden, die Verwandlung der Ruinen in Sand- und Lehmhaufen ist ebensowenig nach seinem Geschmack. — Anßcr diesen Stücken enthält der Band noch den Essay „Die beiden Crivelli, bairisch e Gesandte in Rom im 17. Jahrhundert," die Beschreibung einer frühmittelalterlichen „Weltchronik in Bildern" und das Feuilleton „Neues Leben in Corsica."
Schröder und Gotter. Eine Episode auS der deutschen Theatergeschichte. Briefe Friedrich Ludwig Schröders an Friedrich Wilhelm Gotter. 1777 und 1773. Eingeleitet uud herausgegeben von Dr. Berthold Litzmann, a. o. Professor der deutschen Litteraturgeschichte in Jena. Hamburg und Leipzig, Leopold Vvß, 1337.
Der Herausgeber dieser Schrift, der eine ausführliche Biographie des großen Schauspielers Schröder vorbereitet, war so glücklich, eine Anzahl von vierzehn Briefen desselben an den Gothacr Freund Friedrich Wilhelm Gotter aufzufinden; sie waren im Besitze von Gotters Enkelin, Frau Karoline von Zech geb. Schelling, welche sie dem Gelehrten zur Veröffentlichung überließ. Die Briefe sind nicht uninteressant. Schröder war gerade zu der Zeit, wo er sie schrieb, dreinnddreißig Jahre alt und der thatkräftige Direktor der besten deutschen Schauspielertruppe in demselben Ham- bnrg, aus welchem die Lessingsche Dramaturgie stammte, wo Lessings Theater ein so klägliches Ende genommen hatte, Schröder hingegen wenige Jahre später seine großen und nachhaltigen, ja epochemachenden Erfolge hatte. Die vorliegenden Briefe bieten eilig und lakonisch hingeworfene tagebuchartige Notizen Schröders vom März 1777 mit geringer Unterbrechung bis zum Mai 1778. Schröder teilt alle Sorgen des Tages init, die ihm, dem Direktor und Schauspieler, zur Last fielen; er spricht von den Proben und von den Aufführungen, von den Erfolgen uud Mißerfolgen, von den Einnahmen und Verlusten, von engagirten und entlassenen Schauspielern in dieser Zeit und auch manchmal von sich selbst. Wertvolle Urteile über Schauspieler und Publikum werden immer eingeflochten, und man muß Respekt vor der unermüdlichen Arbeitskraft dieses von dem edelsten Ehrgeiz beseelten Theaterdirektors und Schauspielers bekommen. Sein Hauptinteresse konzentrirte sich zu dieser Zeit um die Aufführungen der Shakespeareschen Stücke. Den „Hamlet" hatte er schon hinter sich, und es war ein Aufsehen erregender Erfolg, dann kamen der „Kaufmauu von Venedig," „Maß für Maß" u. a. Der Stil der Schauspielkunst war iu dieser Zeit ebenfalls in Wandlung begriffen: Schröder ist bekanntlich der Vater des Realismus auf der deutschen Bühne, und seine Urteile vertreten