Die menschliche Trypanosomenkrankheit und afrikanische Schlafkrankheit. 647
gemeininfektion, ehe die langsam verlaufende schädliche Wirkung der Trypanosomen bemerkbar wird.
Dasselbe gilt von anderen kleinen Versuchstieren der Laboratorien, besonders Ratten und Meerschweinchen. Größere Tiere sind mit Ausnahme von Hunden (Thomas und Linton, Biiumpt und Wurtz) ganz oder fast ganz unempfindlich gegen die natürliche oder künstliche Infektion.
Die typischen Veränderungen im Gehirn werden bei infizierten Tieren nur selten und zwar dann beobachtet, wenn der Einimpfung eine chronisch verlaufende Erkrankung folgt. IIarvey ist es gelungen, bei einem Macacus rhesus eine schleichende Trypanosomeninfektion von 18monatiger Dauer experimentell hervorzurufen und im Nervensystem des Tieres die typischen perivaskulären Infiltrationen nachzuweisen bei völligem Fehlen einer Mischinfektion mit anderen Mikroorganismen, Ayres Ivopke konnte sie jedoch auch bei künstlichen Infektionen mit mehrmonatigem chronischem Verlaufe nicht entdecken.
Jedenfalls kommen wir der Wahrheit am nächsten, wenn wir annehmen, daß die Trypanosomen allein das ganze Krankheitsbild in seinem Verlaufe durch alle Stadien hindurch bis zum tödlichen Ausgang hervorzurufen vermögen, daß aber Diplostreptokokken oder an ihrer Stelle andere Bakterien, besonders im letzten Stadium durch ihr Eindringen von Ulzerationen auf der Haut oder auf Schleimhäuten aus, Komplikationen und Modifikationen des Verlaufs verursachen können.
Epidemiologisch ist zu bemerken, daß Beruf, Alter, Geschlecht und Rasse nur insofern eine Rolle spielen, als sie die Gelegenheit zur Infektion durch Fliegenstich schaffen oder vermehren.
Diagnose.
Sie ist am leichtesten in den Fällen, wo die charakteristische Schlafsucht früh und deutlich auftritt. Beim Ausbleiben dieses Symptoms wäre im vorgeschrittenen Stadium eine Verwechslung mit Dementia paralytica möglich. Das Fehlen der psychischen Störungen sichert die Diagnose. Differentialdiagnostisch können ferner Hirntumoren und Lues cerebralis in Betracht kommen. Bei ersteren fehlen neben den Kopfschmerzen selten Erbrechen und allmählich eintretende, stetig fortschreitende Lähmungen, Neuralgien und Anästhesien, welche bei dem Sitze der Geschwulst an der Basis cranii ungleichseitig sind. Der Puls ist oft verlangsamt, besonders bei gesteigertem Gehirndruck. Bei Pachymeningitis haemorrhagica ist ein Erwecken des Kranken aus seiner Somnolenz unmöglich, ebenso bei hysterischer Schlafsucht.
Bei noch wohlgenährten Kranken mit unsicherem Gange kann eine Verwechslung mit der sensibelmotorischen Form von Beriberi Vorkommen, welche in denselben afrikanischen Gebieten sporadisch oder epidemisch auftreten kann. Entscheidend ist das Fehlen der Herzaffektion, der Hyperästhesie, der subjektiven Par- ästhesie und des Muskelschmerzes (vgl. Bd. II S. 161 u. f.). Die Muskelkontrakturen kommen bei vorgeschrittenen Fällen beider Krankheiten vor, bevorzugen alter bei Beriberi die Wadenmuskulatur, bei Schlafkrankheit die Muskeln der Wirbelsäule und der Extremitäten.
Bei einzelnen Influenza-Epidemien ist eine unter dem Namen Nona beschriebene Schlafsucht beobachtet worden, der Schlaf ist jedoch nur von acht bis vierzehntägiger Dauer. Ähnliche Erscheinungen hat Levi bei Leberzirrhose und anderen Leberkrankheiten beobachtet und als Narcolepsie hepatique beschrieben (Le Dantec).
Hinfälligkeit und Somnolenz bei anderer chronischer Krankheit, z. B. bei Ma-