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Dr. C. Mense.
Pathologische Anatomie.
Leichen von im ersten Stadium verstorbenen Menschen zeigen keine anderen Erscheinungen, als die der interkurrenten Krankheit, welche zum Tode geführt hat.
Obduktionsbefunde von den wenigen bisher beobachteten Fällen, in welchen bald nach der Infektion die Erkrankung rasch einen tödlichen Ausgang nahm, liegen noch nicht vor.
Das äußere Ansehen der Leichen aus dem zweiten Stadium, besonders der Hautdecken, bietet das Bild einer schweren allgemeinen Kachexie und keine anderen charakteristischen Erscheinungen als eine Steigerung der auch bei den meisten an anderen chronischen Krankheiten gestorbenen Negern gefundenen Veränderungen, welche eine Folge von schlechter Hautpflege, Kratzekzemen, zahlreichen kleinen Verletzungen, Insektenstichen, Sandflohgeschwüren und langem Krankenlager sind. Leichen von Weißen zeigen wegen der besseren Pflege oft ganz normale Hautdecken. Dekubitus wurde von der portugiesischenKommissionin der Hälfte ihrer Fälle und auch von anderen Beobachtern häufig vorgefunden. Die Pakete der angeschwollenen oberflächlichen Lymphdrüsen treten oft sichtbar unter der mageren Haut hervor. Die Totenstarre war bei den vom Verf. beobachteten Fällen stets vorhanden.
Die Kopfschwarte ist oft ödematös infiltriert, sei es infolge der veränderten Kopfhaltung durch Kontraktur der Nackenmuskeln, sei es infolge von Bindegewebs- entzündung nach Hautverletzungen.
Nach Eröffnung der Schädel höhle wird in vielen Fällen die Innenseite des Schädeldaches, besonders über der Konvexität an verschiedenen Stellen dem Verlaufe der Gefäße entsprechend arrodiert gefunden. Dort zeigt dann die Dura mater einen rötlichen leicht abspiilbaren Belag, nach dessen Entfernung die Hirnhaut verdickt und mit rötlichen warzenartigen Erhebungen besetzt erscheint (Portugiesische Kommission). Die Arterien und Sinus der Dura sind in solchen Fällen stark mit Blut überfüllt. Es können jedoch auch Schädeldach und Dura ganz normal erscheinen oder die obigen Veränderungen nur auf umschriebene Stellen, z. B. die Schläfengegend, beschränkt sein. Nicht selten Avird auch Pachymeningitis interna beobachtet, welche akut oder unter dem Bilde der P. int. haemorrhagica chronischer verlaufen, die ganze Konvexität einnehmen und auf die Basis übergreifen oder nur umschriebene Herde bilden kann.
Die Arachnoidea erscheint häufig milchig getrübt und verdickt, die fein injizierte Pia zeigt meistens fleckenhaft zerstreute Ekchymosen und erweiterte Venen. Alle diese Veränderungen sind auf der Konvexität, besonders über den Paracentrallappen, am meisten ausgeprägt und von zahlreichen Verwachsungen begleitet.
Die subarachnoideale Kammer enthält fast immer ein trübes, leicht gelbliches selten grünliches, noch seltener eitriges Exsudat. Bei einer Europäerin wurden die Sulci mit klarer Flüssigkeit gefüllt gefunden (Loav und Mott).
Am Kleinhirn ist die Gegend über dem Vermis superior am häufigsten in dieser Weise verändert.
Die Pia läßt sich fast immer von der Hirnsubstanz leicht abziehen.
Die Rückenmarkshäute lassen ähnliche entzündliche Erscheinungen ebenfalls erkennen, jedoch nicht so hochgradig wie die Hirnhäute, am stärksten im Cervikalteile.
Hämorrhagien der Dura mater spinalis fanden die Portugiesen nur zweimal.
Die Konsistenz der Hirn- und Rückenmarkssubstanz ist meistens normal geblieben, selten vermehrt. (4 Amn 56 Fällen der portugiesischen Kommission.) Allgemeine oder lokalisierte Erweichung fand dieselbe in 8 Fällen.