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Dr. 0. Mense.
Geschichte und geographische Verbreitung.
Die ersten Mitteilungen über die afrikanische Schlafkrankheit erschienen in der Literatur zu Anfang des vorigen Jahrhunderts. Der englische Arzt Winterbott om beobachtete sie um 1800 herum unter den Eingeborenen der Küstenländer am Busen von Benin und nannte die Krankheit Lethargus. Sein Bericht erschien 1803 in London. 1808—1809 beobachtete Moreau i>e Joxxes eine ähnliche Affektion unter Negersklaven auf den Antillen. Erst 40 Jahre später lieferte der Missionar Clarke eine eingehende Beschreibung der unter den Negern an der Goldküste und in Sierra Leone vorkommenden Hydropisia uareotica oder Schlafkrankheit, von welcher besonders junge Mädchen befallen werden sollten, bei denen die Menstruation noch nicht eingetreten oder unterdrückt worden war. Auch das Rauchen des indischen Hanfes wurde von Clarke als Krankheitsursache angesehen. Bald darauf teilte der englische Marinearzt Davis mit, daß Daxiell 1849 die Schlafsucht der Neger am Busen von Guinea endemisch herrschend gefunden habe; fast gleichzeitig beschrieb sie Ferreira auf St. Thomas. Auch eine englische Nigerexpedition hat 1857 ihr Wüten unter der einheimischen Bevölkerung beobachtet.
Von 18G1 an, in welchem Jahre Dechambiie, Daxgoix und Nicolas ihre Beobachtungen veröffentlichten, lenkte die Krankheit die Aufmerksamkeit der französischen Kolonialärzte auf sich, ebenso der Marineärzte, welche nach der Unterdrückung des Sklavenhandels die Überführung der „freien“ Arbeiter von der afrikanischen Westküste nach den Antillen gesundheitlich zu überwachen hatten. Gaigxerox, angeführt von Dutiiouleau, gibt an, daß die Seuche sich vom Norden der afrikanischen Westküste südwärts und am Kongo landeinwärts ausbreite und von den Negern auf die Mißernten der letzten Jahre zurückgeführt werde.
Auch auf Guadeloupe hat Gaigxerox Fälle konstatieren und eine Obduktion vornehmen können. Auch Caiiles (1863), in der Literatur auch Karl geschrieben, und Griffox du Bellay (1864) bekamen am Kongo, Saxtelli an der Kruküste Fälle zu Gesicht.
Daß die Schlafkrankheit durch den Sklavenhandel bzw. die Arbeitereinfuhr massenhaft nach Westindien verschleppt worden ist, beweist das Riesenmaterial Guerix's 1869, welcher auf Martinique 148 Fälle sah und neben klinischen auch pathologisch-anatomische Studien machte.
Uber das Auftreten der Krankheit am Senegal in Joal und Portudal machten 1873 Carboxel und 1876 Coiire, auf den Inseln Sau Thome und Principe Ferreira Ribeiro 1871 interessante [Mitteilungen.
Landeinwärts von der westafrikanischen Küste fand sie Verfasser am schiffbaren Unterlauf des Kongo und in der Kataraktenstrecke bis zum Stanley Pool 1885—87 als weitverbreitete Endemie. Die Krankheit hat sich dort keineswegs, wie Kermorgaxt meint, erst seit 1893 verbreitet. Am unteren Ubanghi soll sie nach Aussagen der Eingeborenen altansässig sein (Rodhain). Mit der Steigerung des Verkehrs und der Einrichtung der Dampfschiffahrt drang die Krankheit in den folgenden Jahren rasch stromaufwärts vor.
Die große Zahl der Opfer, welche die Krankheit in den portugiesischen Besitzungen an der Westküste, besonders in Angola in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts forderte (Gleim), bewog die portugiesische Regierung zur Entsendung einer aus Axxibal Bettexcourt, Ayres Korke, Gomes de Rezexde und Coriiea Mexdes bestehenden ärztlichen Expedition, mit welcher die streng wissenschaftliche Erforschung des Leidens mit allen modernen Hilfsmitteln ihren Anfang genommen hat.