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Bd. 3 (1906)
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ich auf das reiche, außer dem mitgeteilten sonst noch vorliegende Zahlenmaterial gar nicht einzugehen brauche.

Betreffs der Morphologie und Biologie der Krankheitserreger, der Dysenterie­amöben, sei auf den Abschnitt Amöbenruhr S. 5 u. f. verwiesen.

Über die Entwicklung einer etwaigen Immunität bei solchen Personen, welche lauge den schädlichen, bei der Entstehung von Ruhr und Leberabszeß wirk­samen Einflüssen ausgesetzt gewesen sind, kann nichts Bestimmtes gesagt werden. Allem Anscheine nach entwickeln sich die meisten Leberabszesse bei solchen, welche schon mehrere Jahre in den Tropen gelebt haben, die Zahl der Erkrankungen nimmt mit der Fortdauer des Aufenthalts in den Tropen über 7 oder 8 Jahre hinaus be­ständig ab. Ohne Zweifel kamen liier, wie Kelsch und Kiener annehmen, mehrere Umstände in Betracht.

Der frisch aus dem gemäßigten Klima ankommende kraftstrotzende junge Mann ist mit den zur Sicherheit der Gesundheit beachtenswerten Vorsichtsmaßregeln noch unbekannt, unterzieht sich unüberlegt heftiger körperlicher Anstrengung, setzt sich sorglos schroffem Temperaturwechsel aus und ist unvorsichtig in bezug auf Nahrung und Trinkwasser. Für ihn ist die Ansteckungsgefahr deswegen groß. Der seit Jahren in den Tropen ansässige Europäer vermag zwar manche Gefahren zu meiden, aber besitzt nicht mehr die Widerstandsfähigkeit des Neuankömmlings. Seine Energie ist untergraben und durch den dauernden niederdrückenden Einfluß des Klimas ist sein Körper so geschwächt, daß er leichter an Ruhr erkrankt und schwerer daran leidet. Auch die Eingeborenen, deren Immunität oder Niclit-Immunität viel erörtert worden ist, sind nach den vorhandenen Statistiken vielleicht noch empfindlicher für die Ansteckung mit Dysenterie als die Ausländer, Leberabszesse entwickeln sich jedoch bei ihnen selten. Eine Erklärung dieses Verhaltens ist nicht leicht, neueres Zahlenmaterial erweckt außerdem gewisse Zweifel an der Genauigkeit der älteren Zusammenstellungen. Wenn aber die Eingeborenen in Wirklichkeit ebenso an Dysenterie leiden wie die Weißen, dann kann von einer erworbenen oder durch natürliche Zuchtwahl entstandenen Immunität keine Rede sein, es handelt sich dann nur um das Fehlen einer Komplikation.

Pathologische Anatomie.

Zahl, Größe und Sitz der Abszesse. Früher glaubte man tropische oder idiopathische Leberabszesse von solchen trennen zu müssen, wo ein bestimmter an einer anderen Stelle befindlicher Eiterherd den Ausgangspunkt der Erkrankung bildet, und stützte sich dabei auf die vermeintliche Tatsache, daß im ersteren Falle meistens nur ein großer Abszeß vorläge, während bei Lebervereiterung infolge von Pyämie, Pyelophlebitis, Cholangitis usw. gewöhnlich zahlreiche kleine Eiterherde in der ganzen Leber zerstreut gefunden würden. Spätere Forschungen haben aber ergeben, daß diese Anschauung unhaltbar ist und daß bei Amöbeninfektion der Leber ebensogut zwei oder drei große wie hundert oder tausend kleine Abszesse vorhanden sein können.

Die Reihe von Fällen, welcher die unten folgende Beschreibung zugrunde liegt, zeigt bei einer Gesamtzahl von 28 Fällen 11 mit multiplen Abszessen, da aber in 8 Fällen die Kranken genasen, oder die Sektion verweigert wurde, so kann diese Zahl in Wirklichkeit noch höher sein. Waeing fand in 300 Fällen 177 solitäre und 108 multiple Abszesse. Die multiplen Abszesse sind manchmal ganz voueinander- getrennt, manchmal fließen dieselben zusammen und bilden ein Netz von anastomo- sierenden Kanälen und Hohlräumen im Gewebe. Daneben finden sich dann noch zahlreiche kleine selbständige Eiterherde. (Vgl. Tafel IV.)