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W. G. MacCallum.
Ätiologie und Yorkommen.
Eine neue Zeit brach für die Erforschung dieser Krankheiten an, als das Augenmerk der Beobachter auf die Entdeckung des eigentlichen ätiologischen Faktors, der spezifisch-pathogenen Substanz, gerichtet wurde, deren Verschleppung aus den Ulcerationen der Darmschleimhaut durch die Pfortader in die Leber Budd mit klarem Blick erkannt hatte.
A T erschiedene Autoren, Lambl, Cunningham u. a. hatten in den Darmentleerungen von an Cholera und Enteritis leidenden Menschen Amöben gefunden, aber Lösen beschrieb als erster diese im Stuhle eines Ruhrkranken angetroffenen Amöben genauer und stellte dieselben unter den Namen Amoeba coli als Erreger der Dysenterie auf. R. Koch, welcher den Darminhalt Dysenteriekranker in Ägypten studierte, fand ebenfalls die Amöben und konnte dieselben in zwei Fällen, welche mit Leberabszeß kompliziert waren, in der Leber nachweisen. Auch Kartulis lieferte aus Ägypten eine Reihe von wertvollen Beiträgen zur Frage der Beziehungen zwischen tropischem Leberabszeß und Ruhr und betonte besonders das Vorkommen von Amöben in einer großen Anzahl solcher Fälle. Gleichzeitig fand K. aber neben den Amöben in den Eiterherden pathogene Mikrokokken und folgerte daraus, daß diese Amöben einen wichtigen ätiologischen Faktor bei der Entstehung der Dysenterie und ihrer Komplikationen in der Leber darstellen und zwar dadurch, daß dieselben den Boden für die Eitererreger vorbereiten und sie aus dem Darmkanal in die Leber mit sich führen. Kartulis trennte jedoch von den dysenterischen Abszessen eine andere Gruppe, die sogenannten idiopathischen tropischen Abszesse, welche seiner Ansicht nach durch von den Verdauungswegen her eindringende Bakterien hervorgerufen werden, wobei Alkoholismns, Erkältungen usw. eine prädisponierende Rolle spielen. Diesen Erkrankungen schenkte er jedoch wenig Beachtung und stellte nur fest, daß sie hauptsächlich bei Männern reiferen Alters, selten bei Frauen und Kindern Vorkommen. Charakteristische Veränderung fand K. hierbei im Darmkanal nicht, wohl aber verschiedene Schleimhautläsionen, welche Krankheitserregern den Zutritt zum Pfortaderkreislauf ermöglichen.
ln diesen idiopathischen Abszessen fand derselbe Beobachter verschiedenemal den Stapliylococcns pyogenes aureus, während andere steril waren. Anatomisch unterscheiden dieselben sich durch nichts von den dysenterischen Abszessen.
Den in dysenterischen Leberabszessen gefundenen Amöben widmete Kartulis seine besondere Aufmerksamkeit, überimpfte sie in das Rektum von Katzen und anderen Tieren und suchte Reinkulturen anzulegen.
Die Impfversuche waren erfolgreich und führten zu ruhrähnlichen Veränderungen. Zu seinen Kulturen züchtete K. ähnliche Amöben wie die in den dysenterischen Stühlen Vorgefundenen. Neuere Untersuchungen von Kruse und Pasquale haben aber gezeigt, daß aller Wahrscheinlichkeit nach Kartulis bei seinen Versuchen mit einer anderen Amöbenart gearbeitet hatte, deren Sporen auf Stroh gefunden werden und natürlich auch in dem von Kartulis verwandten unsterilisierten Strohaufguß erscheinen müssen.
Osler beschrieb in Amerika als erster die Amöben aus dem Eiter eines Leberabszesses, seinen Beobachtungen folgten zahlreiche andere, welche zu der Arbeit von Coungtlman und Lafleur führten, worin eine Reihe von Dysenteriefällen, manche mit Leberabszeß kompliziert, klinisch und anatomisch studiert worden sind.
Die Verfasser kamen zu dem Ergebnis, daß, mag man einen idiopathischen tropischen Leberabszeß anerkennen oder nicht, eine wohl definierbare Form der Dys-