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Sonst war ja Veranlassung genug zu Dissens vorhanden, da der Kriegsminister Hayuau persönlich mit Hassenpstug öfter sehr unfreundlich stand und Lometsch bei seinem Amtsantritt die entschuldigende Erklärung abgegeben hatte, er habe nichts von der gleichzeitigen Ernennung Hassenpflug's gewußt. Diesen alten bis dahin unbescholtenen Mann hatte wohl hauptsächlich die greisige Eitelkeit, vor dem Abmarsch aus immer auch erst noch einmal die höchste Staffel der Finanzpartci zu erklimmen, zur Uebernahme des Ministeriums bewogen. Als zum kurhessischen Septembrisiren commandirt wurde, wandte er sich in der zwölften Stuude zum Rückzug. Der Kriegsminister v. Haynau, der Sohn des kriegszu- ständlichen Oberbefehlshabers, der Neffe des östreichischen Haynau, gehört zu der reactiouärcn Adclspartei in der Residenz, welche mit Hassenpstug schon früher manche Differenzen gehabt hatte, die anch neuerdings dnrch die bürokratische Selbstherrschaft des Minister- Präsidenten eher vermehrt als vermindert worden sind. Indessen konnte man ja vorläufig Hassenpstug als Mauerbrecher gegen die „neuhessische constitutiouelle Rotte" wie gegen die „Straßendemokratie" und die malitiösfreie Presse, wie sie die Hornisse handhabte, benutzen. Es haben wohl manche Bekannte Haynau's später geäußert: Dies oder Jenes hätten sie doch nicht voll ihm erwartet: indessen von einem fanatischen „Frommen", wie deren einer der Kriegsminister ist, läßt sich Alles erwarten, sobald auch er mit einem Finger an das Heft der Negierung greifen darf, selbst daß er seinen alten Vater der sicher vorauszusehenden grandiosesten Blamage überliefert und Hunderte seiner Kriegseameraden für die heroischeste That für die Pflicht, das Recht und die Ehre dem Mangel und der Noth mit ihren Familien überliefert. Ein „Frommer" dient ja mit Allem, was er thut: „dem Herrn." Von dem Minister des Auswärtigen Herrn Alexander vonVa u m b a ch ist gar nichts zu sageu. Sciue „Unschuld" ist sprüchwörtlich geworden bei allem Volke in Hessen. Hätte er auch, wie man sagt, die Correspondenz besorgt, in Folge deren Hassenpstug Hieher kam, so wären doch seine Thaten vor seinem Amtsantritt situirt. Die „Baumbach'schen Noten" machte er wohl nicht selbst, obwohl sie mit Recht das lächelnde Kopsschütteln bei Freund und Feiud hervorgerufen haben. Indessen konnte es nicht ganz unerwähnt bleiben, weil auch er Münster ist.
Die Spauier haben ein Sprüchwort: sage mir, mit wem du gehst, so will ich dir sagen, wer du bist. Für das Hassenpflug'sche Ministerium und dessen Freunde nnd Getreuen war die Situation obendrein der Art, daß sie einander bekennen mußten vor allen Leuten. Es gibt auch in Kurhessen noch Männer genng, welche viel „conservativer" und „monarchischer" sein zu müssen glauben, als diejenigcu, welche in dem Kampfe für die Verfassung uud das geurtheilte Recht gegen Hassenpstug und seine Gewaltstrciche voranstanden. Sie hatten starke Hoffnungen ans den neuen Minister gesetzt, aber sie sahen sich bald durch seine ganz ordinären Extravaganzen getäuscht, zogen sich zurück, wenn sie schon in den Dienst eines, wie sie glaubten, ehrlichen conservativen Ministeriums getreten waren, oder blieben ruhig zurückstehen, weil sie für das bald erkennbare Bnbenspiel mit Recht und Gesetz doch viel zu viel Ehrgefühl, Nechtösiuu uud sittliche Würde besaßen. Wir erinnern hier nur au Professor Wetzcll, der schon in Berlin und Erfurt enttäuscht wurde, uud an Ministerialrcserenten Aböe, der vor den Septemberordonnanzen zurückschrak. Obschon das Ministerium mit den lockendsten Realien freundschaftliche Ergebenheit und dienstliche Arbeiten zu erhandeln unablässig bemüht war, wie wenige Menschen haben sich für es bereitwillig finden lassen, selbst nachdem von Frankfurt aus der schützende Arm des neuen Bundestags über Hassenpstug und seine Diener ausgestreckt wurde, und welcher