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hätten den Weg der Verständigung beschreiten sollen. Daß Wien in seinen Schwierigkeiten auch eine Auseinandersetzung mit dem tschechischen Nachbarn wünscht, ist verständlich, aber Lana kann verhängnisvoll wirken. Bei der unseligen Teilung Oberschlesiens hat ein tschechischer Sachverständiger, der Großindustrielle Hodacz, mitgewirkt. Die Meldungen über tschechisch-südslawische Absichten auf eine Zersprengung Osterrreichs wollen allen AbleugnungSversuchen Benesch' gegen­über nicht verstummen; solche Tendenzen liegen durchaus im Sinne Frankreichs das den Anschluß der Deutschen in Osterreich ans Reich hintertreiben will. Lana kann eine Verstärkung derLos von Wien-Bewegung" in den österreichischen Ländern zur Folge haben und der Anlaß zum Einschreiten der bcutehuugrigen Nachbarn könnte sich unerwartet rasch finden. Für seine politischen Zwecke ver­schmäht Frankreich kein Mittel. Aller parlamentarischen Opposition ungeachtet, hält der ehemalige Sozialist Briand fest an den diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. Wie in Österreich, kann der Klerikalismus auch im Orient Frank­reich nützlich sein.

Es wäre müßige Spekulation, den Verlauf der Zusammenkunft von Cannes voraussagen zu wollen. Schärfste Beobachtung aller Vorgänge nm uns ist aber erforderlich, um sich vor harten Enttäuschungen zu schützen. Die französischen Staatsmänner gehen mit großer Zähigkeit und unter schlauer Verhüllung ihrer eigentlichen Bestrebungen vor. Als günstig füllt der Umstand ins Gewicht, daß die Regelung der irischen Frage, wie sie Lloyd George angebahnt hat, wenigstens die Zustimmung des gemäßigten Teils der Sinnseiner gefunden hat. Auch so ist die Auseinandersetzung nicht ideal, denn Ulster bleibt äußerhalb des neuen irischen Freistaates nnd De Valcras Anhang ist mit den ertrotzten Rechten unzufrieden. Aber der leitende Politiker in London ist durch den Beschluß der Nationalversammlung von Dublin immerhin stark entlastet, wie auch das Ge­fühl, mit deu Vereinigten Staaten uiw Japau zu einer grundsätzlichen Einigung gelangt zu seiu, London den Rücken stärken müßte, um alle Kräfte der Rettung des alten Erdteils zuzuwenden uud zu verhindern, daß der verblendete Ehrgeiz der Franzosen Europa auch weiterhiu dein Chaos entgegentreibt.

G. G. von Wesen donk

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Seit ein paar Wochen verhandeln in Oberschlesien deutsche und polnische Unterhändler über die Regelung der zukünftigen Beziehungen. Ehe man, für die Weihnachtszeit, auseinanderging, wurde von beiden Seiten der Öffentlichkeit über den guten Fortgang der Verhandlungen berichtet und noch mehr über die gute Gesinnung, die Neigung zur Friedfertigkeit, die bei beiden Parteien in Erscheinung getreten sei. über die Gesinnung äußern sich auch andere polnische Stellen. So schreibt das polnische BlattGlas Narodn". Polen habe festen Fuß an der oberen Oder gefaßt und denke an Hindenburg, Gleiwitz. Ratibor, Benthen, Oppeln, die das direkte Ziel weiterer polnischer Kämpfe seien. Nur die weltbekannte Verruchtheit derBoches" kann bezweifeln, daß solcheGedanken" eine überaus treffliche Grundlage für die deutsch-polnischen Verhandlungen sind!

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