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Prätension hat, der Ausdruck der zukünftigen bürgerlichen Gesellschaft zu sein, in Zukunft die gesammte sociale Ordnung in seine Rahmen aufzunehmen und zwar auf gewaltsamem Wege.
Aas Schreiben des Kardinals Untonelli an den Aischof
von Mainz.
Herr von Ketteler hat am 3. Juli in der „Germania," dem zu Berlin erscheinenden klerikalen Organ, das mehr besprochene Schreiben, welches Cardinal Antonelli unter dem 6. Juni an ihn gerichtet, mitgetheilt. Der Car- dinal-Staatssecretär schreibt wirklich, er habe in einer Unterredung mit dem Zairischen Gesandten und zeitweiligen Geschäftsträger des deutschen Reiches lediglich die Absicht verfrüht gefunden, den Reichstag über eine zum Schutz der weltlichen Herrschaft der Kirche zu beschließende Intervention zur Meinungsäußerung zu veranlassen. Dagegen äußert der Cardinal seine Betrübniß, daß durch die Gegner der Kirche verbreitet worden, es sei die Handlungsweise der katholischen Fraction im Reichstag von ihm, dem Cardinal, getadelt worden.
Herr von Ketteler hält indeß für angezeigt, seiner Mittheilung des ^ntonellischen Schreibens einen Commentar hinzuzufügen. Er scheint gefürch- ^ ZU haben, die völlige Ableugnung der Angabe des Fürsten Bismarck, in dessen Schreiben an den Grafen Frankenberg vom 19. Juni, könne unliebsame ^lgen haben. Der Fürst schrieb aber, wie man sich erinnert, wörtlich: »Der Cardinal - Stacttssecretär hat dem Grafen Tauffkirchen darüber keinen Zweifel gelassen, daß die Haltung der Partei des sogenannten Centrums an °er höchsten geistlichen Stelle der katholischen Kirche nicht gebilligt werde." ^err von Ketteler zieht sich nun folgendermaßen aus dem Dilemma: entweder deutschen Reichskanzler oder den römischen Cardinal-Staatssecretär eine unrichtige Behauptung machen zu lassen. Er sagt: Fürst Bismarck habe ja ausgesprochen, daß der parlamentarische Einfluß der Fraction des Centrums nach derselben Richtung ins Gewicht gefallen, wie die parlamentarische Thä- lgkeit derjenigen Elemente, welche die Herstellung des deutschen Reiches gründlich anfechten, daß er die Gesandtschaft des deutschen Reichs in Rom beitragt, sich zu überzeugen, ob die Haltung dieser Partei den Absichten Seiner Heiligkeit entspreche. „Da ist es freilich nicht zu verwundern", fährt Herr von
Grenzboten II. 1871. 15