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tät der Parteien ist. Es fehlen in der Sammlung gerade solche Briefe, aus welche der Leser vor allen gespannt ist, nämlich die Briefe Lafarina's an den Marchese Giorgio Pallavicino, den ehemaligen Gefangenen des Spielberg, und an Garibaldi, die beide mit ihm zusammen eine Zeitlang den Nationalverein leiteten. Sie fehlen, weil diese beiden fanatischen Parteimänner heute nicht mehr daran erinnert sein wollen, daß sie einst zusammengingen mit der Nationalpartei. Sie haben die Herausgabe der an sie gerichteten Briefe verweigert, sie haben dieselben vielleicht vernichtet; ein wahrhast klägliches Verfahren, womit sie sicher den Verdiensten Lafarina's Nichts entziehen, der später von wüthendem Hasse der Garibaldianer verfolgt wurde, das vielmehr nur wider Diejenigen spricht, welche von ihren Schmeichlern als die lebendige Verkörperung strenger Heldengröße und edler Bürgertugend sich preisen lassen. So ist das Buch, eine Erinnerung an jene Zeit begeisterten Ausschwungs, zugleich ein Denkmal heutigen Parteihasses geworden.
Nicht das ist zu bedauern, daß die Parteien seitdem sich wieder geschieden haben. Das lag in der Natur der Sache. Sobald die Existenz des Vaterlands gesichert war, trat die Partei wieder in ihr Recht. Aber das muß von den Freunden Italiens beklagt werden, daß das Parteiwesen sofort nicht nur einen leidenschaftlichen, sondern mehr noch, einen kleinlichen und persönlichen Charakter angenommen hat, der einen geordneten Gang der Staatsverwaltung überaus erschwert. Vergebens fragt man nach den großen Principien welche die Parteien scheiden. Es ist ein ununterbrochenes Jntriguiren zu dem einen Zweck, das jeweilige Ministerium zu stürzen und selbst seine Stelle einzunehmen. Nie ist es ein bestimmtes Programm, sei es in den äußeren oder in den inneren Fragen, auf deren Grund diese oder jene Partei die Gewalt beansprucht. Es erfordert freilich wenig Witz, Ersparnisse in den Ausgaben zu verlangen oder Reformen in der Verwaltung oder eine energische Politik in der römischen Frage. Wie aber diese schönen Dinge verwirklicht werden sollen, auf diese Frage Pflegen die kühnen Reformatoren die Antwort schuldig zu bleiben. Dieser fortwährende innere Krieg, an welchem persönliche Eitelkeit oder Ehrgeiz den größten Antheil haben, hat bisher die Organisationsarbeiten wesentlich gehemmt.
Seit der Verlegung der Hauptstadt nach Florenz ist dazu noch ein Anderes gekommen: ein Wiederaufleben des Municipalgeistes, der für immer in der siegreichen Revolution begraben schien. Nicht als ob in den Provinzen eine Reaction gegen die Form des Einheitsstaats sich bemerklich machte. Von einer Agitation für die Restauration der Depossedirten, von föderalistischen Programmen ist in Italien keine Rede, der Geschmack für solche Liebhabereien ist den Italienern ein für alle Mal vergangen. In Palermo allein regt sich dann und wann der Geist einer trotzigen Autonomie, der an das Mittelalter